■ Lucky Streik?
: Zersplitterte Streiker

Es wurde viel geschrieben über die StudentInnen des 1997er Aufbegehrens. Was sie wollten, warum sie es wollten, und warum sie mit ihrem Protest nichts erreichten. Die blinde Stelle der an sich wichtigen Debatte: Die vielbeschworene Kategorie der StudentInnen existiert nicht. Es gab sie nie. Beinahe jede Streikauswertung reproduziert die falsche Annahme, daß es sich um eine Gruppe gehandelt habe. Dabei hatten die Studis kaum mehr gemeinsam als den Studentenausweis für eine deutsche Hochschule. Das vermutete Subjekt universitären und gesellschaftlichen Protestes, die StudentInnen, zerfiel in vier Gruppen.

Die linken, politisch aktiven Studierenden konnten an einigen Unis über ihre Strukturen politischen Einfluß gewinnen – anfangs. Sie stellten den Uni- Klau in den Kontext des Sozialabbaus. Und sie suchten Bündnisse mit anderen Betroffenengruppen, um sich im Kampf gegen die Sparpolitik nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Ihre Hauptforderung war, die steigenden Unternehmensgewinne abzuschöpfen, um damit Sozial- und Bildungsausgaben zu finanzieren. Dafür fanden sie zuwenig Unterstützung. Viele politisch Aktive räumten auch das Feld zu früh – als sie mit den streikenden Jung-Studis nichts anfangen konnten.

Gescheitert ist die studentische Linke letztlich an Medien und Öffentlichkeit. Positionen, die den Protest gegen die desolate Bildungspolitik mit einer radikalen Gesellschaftskritik verknüpften, schwieg die Journaille konsequent tot. So entstand ein bewußt verzerrtes Bild des politischen Klimas an den Universitäten – die Linke zog sich frustriert zurück.

Ganz anders war es mit den Hochschullobbyisten, die mehr Geld für die Unis forderten und gegen das Hochschulrahmengesetz demonstrierten. Sie waren die Lieblinge von Medien und Politik. Wahrscheinlich weil sie so schön kreativ und brav waren. Die HochschullobbyistInnen sind gescheitert – an sich selbst: Da sie sich weigerten, die gesellschaftliche Situation zum Thema zu machen, konnten sie nicht beantworten, woher das viele neue Geld für die Uni denn kommen sollte. Völlig unterschlagen hat diese Gruppe jedoch, daß die Studierenden unter der neoliberalen Doktrin nur auf Kosten der Schwächeren bedient würden. Als sie merkten, daß es erfolgversprechender war, ihre Scheine ins trockene zu bringen, war der Streik auch schon vorbei.

Die Erst- und Zweitsemester waren das Phänomen schlechthin. Sie stellten die aktive Streikbasis. Wie vom Himmel gefallen mobilisierten sie eine ungeheuere Streikenergie. Ihnen fehlte aber die Erfahrung in der politischen Arbeit und das politische Bewußtsein über ihre eigenen Ziele. Die Erfolgserwartungen der Erstis stieg in schwindelerregende Höhen – und fielen ebenso schnell wieder in sich zusammen.

Die vierte, die Fun- und Aktionsfraktion war das Medienprodukt schlechthin. Streik versprach ein Ausbrechen aus dem öden Uni-Alltag. Drei Wochen Leben am Puls der Zeit. Zum ersten Mal wurde die Uni für viele als Lebensraum erfahrbar. Die Aktionen hatten dabei für die „Lucky Streiker“ eine Ventilfunktion. Der Uni-Frust und ein eher unbestimmtes Mißbehagen über die soziale Situation im Land wollte entweichen. Aber der Aktionismus hatte eine kurze Halbwertszeit. Schon nach wenigen Wochen konnten sie nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß die Fun-Fraktion inhaltlich über eine latente Unzufriedenheit mit der Uni nicht hinausgelangt war.

Der Streik 97 hat also kaum etwas verändert, weil die StudentInnen zersplitterten. Darüber zu lamentieren wäre falsch. Daß „Alles für alle“ da zu sein habe, mag eine progressive Forderung sein. Das heißt aber noch lange nicht, daß man immer „Alles mit allen“ erreichen kann – denn das würde nur zu Beliebigkeit führen. Silke van Dyk