Das Portrait: Die drei Leben des braven Genossen V.
■ Hans-Jochen Vogel
Gestern abend wurde Hans-Jochen Vogel in Berlin mit dem Preis der Heinz-Galinski-Stiftung geehrt. Die Stiftung ist nach dem langjährigen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde benannt und soll Religion, Toleranz, Bildung und den Gedanken der Völkerverständigung fördern. Die gestern vergebene Auszeichnung gelte dem Lebenswerk des SPD-Politikers, teilte die Jüdische Gemeinde zu Berlin mit. Insbesondere sein Engagement im Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie“ verdiene eine besondere Würdigung.
Vogels zum Verein gereiftes Projekt versucht, parteiübergreifend das Problem extremistischer Gewalt anzugehen. Ein wesentlicher Teil der Arbeit des Vereins ist die Erinnerung an die unter nationalsozialistischer und kommunistischer Herrschaft begangenen Verbrechen. Die Auszeichnung Vogels krönt dieses Engagement, dem er seit seinem Rückzug aus dem Bundestag im Jahr 1994 den Hauptteil seiner Zeit widmet. Die Zeit seit Vogels Ausscheiden aus der Tagespolitik kann man getrost als seinen dritten Lebensabschnitt bezeichnen.
1960 wurde Vogel zum Münchener Oberbürgermeister gewählt. Der 34jährige war damit das jüngste Stadtoberhaupt einer europäischen Millionenstadt. In drei Amtszeiten initiierte der beliebte „Vogel Hansi“ unter anderem die Wahl Münchens zum Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 1972.
Nicht die CSU, sondern die Linken in seiner eigenen Partei machten Vogel am meisten zu schaffen. Vogel konnte sich nicht durchsetzen und ging 1972 als Bauminister ins Kabinett von Willy Brandt. Unter Schmidt wird er Justizminister, 1981 springt er als Berliner Regierender Bürgermeister ein, noch im selben Jahr verliert er die Wahl, den Koalitionspartner FDP und sein Amt.
Für Vogel begannen harte Jahre. Als erster SPD-Kanzlerkandidat unterlag er 1983 gegen Helmut Kohl. Zwar wurde der Oppositionsführer im Bundestag 1987 auch Parteivorsitzender, doch mußte Vogel im Bundestagswahlkampf 1990 schwerste Meinungsverschiedenheiten mit dem Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine aushalten. Stark engagierte sich Vogel für eine neue Verfassung für das vereinte Deutschland – vergeblich. Doch seit die Sozialdemokraten an die Macht zurückgekehrt sind, findet der SPD-Ehrenvorsitzende Vogel als Elder Statesman zunehmend Gehör. r.a.
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