Neun Schweinestädte in Mecklenburg-Vorpommern

■ Trotz eines EU-weiten Überschusses werden im Küstenland Betriebe bis zu einer Größe von 12.000 Borstenviechern genehmigt und gleich subventioniert. BUND warnt vor Schäden

Schwerin (taz) – Till Backhaus, SPD-Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, griff gestern morgen beherzt zu. Minibuletten aus Bio-Schweinefleisch hatten der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor den Schweriner Landtag gekarrt, um damit „symbolisch“ gegen die geplanten Schweinemastanlagen im Großformat in Mecklenburg-Vorpommern zu prostestieren. „Doch, schmeckt gut“, gab der Minister („ich bin selbst Landwirt“) zu. Das ändere aber nichts an seinen Plänen: Neun Großmastanlagen mit je 6.000 bis 12.000 Tieren sollen in den kommenden vier Jahren im Bundesland entstehen. Das seien immerhin weniger, als die alte, CDU-geführte Regierung geplant hatte, bei der bis zu 35 Riesenställe im Gespräch waren.

Im Würstchen- und Rippchenland an der Ostsee wird immer noch mehr Schweinefleisch verbraucht, als erzeugt wird. 550.000 Schweine gibt es derzeit, 2,7 Millionen waren es vor der Wende. „Der Eigenversorgungsgrad liegt bei 60 Prozent“, begründete Backhaus seine Entscheidung. Für die jedoch wolle er „nun Akzeptanz in der Bevölkerung“ schaffen.

Seinen Umweltminister Wolfgang Methling weiß Backhaus schon hinter sich. Der PDS-Politiker, der bis zu seinem Wechsel ins Kabinett im November Professor für Agrarökologie an der Universität Rostock war, hält die Befürchtungen des BUND für übertrieben. Fleisch aus Intensivtierhaltung könne sehr wohl eine gute Qualität haben; die „Darstellung, Gülle sei Gift“, sei „so zu pauschal“; und schließlich, so Methling, „können wir doch nicht alles aus Afrika importieren“.

Der BUND, der auf kleinere Einheiten mit umwelt- und tierfreundlicherer Haltung setzt, warnt dagegen vor der Nitratbelastung von Boden und Trinkwasser durch das Güllefahren. Zudem enthalte die Abluft aus Schweinemastanlagen Schimmelpilze und Staubbakterien, die krank machen könnten. Arbeitsplätze würden in den High-Tech-Betrieben ohnehin nicht entstehen.

Viele Bauern in Mecklenburg- Vorpommern dagegen sind dringend auf eine höhere Stückzahlproduktion angewiesen. Der Grund: Die Misere auf dem Schweinemarkt hat viele von ihnen wirtschaftlich in die Knie gezwungen. Allein die Preise für Ferkel sind in den letzten Monaten um bis zu drei Viertel gefallen. Eine kostendeckende Produktion lassen sie kaum noch zu. Weniger als 1,80 Mark pro Kilo Schlachtgewicht erhalten die Landwirte inzwischen für ihre größeren Borstenviecher.

Wichtigste Ursache für diese Situation dürfte der Schweinefleischüberschuß innerhalb der EU sein. Bei fast zehn Prozent liegt er inzwischen. Den vielen neuen Zucht- und Mastanlagen, die in den vergangenen Jahren in vielen Mitgliedsstaaten geschaffen wurden, folgte der erhoffte Absatzboom schlicht nicht. Die zusätzlich geplanten Anlagen helfen den einzelnen Bauern vielleicht, die Verluste beim Kilopreis durch eine erhöhte Stückzahlproduktion auszugleichen. Der europäische Überschuß dagegen wächst weiter.

Als Ausweg aus der Misere will Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister nun mit der Bundesregierung über „marktentlastende Maßnahmen“ – Bürgschaften, Zuschüsse – verhandeln. Zudem, so Backhaus, sei bereits vereinbart worden, aus den EU- Staaten 230.000 Tonnen Schweinefleisch zu exportieren, um die Überschußproduktion zu senken. Auf Landesebene will Minister Till Backhaus einen Fünf-Millionen-Mark-Hilfsfonds einrichten, mit dem die hundert sauenhaltenden Betriebe in Mecklenburg- Vorpommern unterstützt werden sollen. Denkbar sei auch eine Steuerstundung, die bei den Finanzämtern beantragt werden könnte. Sprach's und genehmigte sich eine weitere Bulette. Heike Haarhoff