Rußland will Naziraubgut zurückgeben

■ Durchbruch bei der Internationalen Konferenz über Kunstwerke, die ihren jüdischen Besitzern geraubt wurden. Suche nach rechtmäßigen Eigentümern zugesagt. Keine Rückgabe der übrigen sowjetischen Beutekunst beabsichtigt

Washington (taz) – Rußland hat sich bei der Internationalen Konferenz über die von den Nazis geraubten Kunstgegenstände grundsätzlich bereit erklärt, an der Suche nach den rechtmäßigen Eigentümern mitzuwirken. Bei der am Dienstag in Washington eröffneten Konferenz sagte der Vertreter des russischen Kulturministeriums und Mitglied der russischen Delegation, Waleri Kulischow, daß die von den Nationalsozialisten bei Privatpersonen geraubten und anschließend von der Roten Armee in die Sowjetunion gebrachten Kunstwerke den Geschädigten zurückgegeben werden sollen. US-Delegationsleiter Stuart Eizenstat nannte dies einen „wirklichen Durchbruch“, auch wenn der Streit über die sogenannte Beutekunst nicht davon betroffen sei.

Rußland wolle sich an der Schaffung einer internationalen Datenbank beteiligen, in die Kunstwerke unbekannten Besitzes aufgenommen werden, und sich an die von den amerikanischen Museen entwickelten Prinzipien zu deren Rückgabe an ihre rechtmäßigen Besitzer halten. Zu diesem Zweck werde Rußland seine Archive öffnen, sagte Kulischow. Die deutsche Delegation kritisierte jedoch, daß Kulischow dieses Angebot nicht auf die sogenannte Beutekunst bezogen habe. Dies sind Kunstwerke, die von den Sowjets nach 1945 beschlagnahmt wurden und als Teil rechtmäßiger Reparationen für Kriegsschäden betrachtet wurden. Einige dieser Kunstwerke waren 1996 in der Petersburger Eremitage wieder gezeigt worden.

Die Konferenz wurde am Dienstag mit einer als bewegend empfundenen Ansprache der US-Außenministerin Madeleine Albright eröffnet, in der sie erstmals öffentlich auf ihre im vergangenen Jahr entdeckte jüdische Herkunft und den Tod ihrer jüdischen Großeltern im Holocaust einging: „Ich denke an das Blut, das in den Adern meiner Familie kreist. Spielt es eine Rolle, was das für Blut ist? Das sollte es nicht, es ist weiter nichts als Blut, das seine Aufgabe tut. Für Hitler aber spielte es eine Rolle, und deshalb spielt es für uns heute eine Rolle. Deshalb nämlich starben sechs Millionen Juden.“

Bei der bis Donnerstag tagenden Holocaust-Vermögenskonferenz geht es insgesamt um drei Vermögensgüter, deren Rückgabe schwieriger ist als die des geraubten Goldes oder unterschlagener Bankkonten und deren Rückerstattung noch in diesem Jahrhundert geregelt werden soll: um noch ausstehende Versicherungspolicen, Kunstwerke und um Gemeindeeigentum. „Antisemiten werfen uns Juden oft vor, von Idealen zu reden und dabei an Geld zu denken“, sagte auf der Eröffnungsfeier im Washingtoner Holocaust-Museum der Nobelpreisträger Elie Wiesel am Montag abend. „Heute reden wir hier über Geld, denken dabei aber an ganz anderes. Ist das Gedenken an die Opfer des Holocaust so heilig, daß nicht von Geld und Bankkonten geredet werden darf?“ fragte er rhetorisch.

Die Zahl der geraubten Kunstwerke wird weltweit auf 110.000 und deren Gesamtwert auf zwischen 10 und 30 Milliarden Dollar geschätzt. An der Konferenz beteiligen sich 44 Länder und 13 Organisationen in freier Trägerschaft. „Dies ist eine ganz und gar ungewöhnliche Konferenz“, sagte der Leiter der deutschen Delegation, Tono Eitel. „Einberufen ist sie von einem Museum – dem Holocaust-Museum – und dem State Department. Ziel ist kein Abkommen, sondern die Verständigung aller am Krieg Beteiligten auf eine schnelle und gütliche Regelung noch ausstehender Forderungen.“ Mit dem Verlauf der Verhandlungen war der deutsche Delegationsleiter zufrieden. 50 Jahre Friedenspolitik hätten dazu geführt, daß die deutsche Delegation wie eine unter anderen an dieser Konferenz teilnehmen kann. Peter Tautfest