Sargnagel für die Denkmalpflege

■ Die Zeiten, in denen der Staat das Abschlagen von Stuck förderte, sind längst vorbei. Doch die neue Regierung subventioniert an falscher Stelle, viele Förderungen werden runtergefahren

Kein Politiker geht mit dem Thema Denkmalpflege in den Wahlkampf. Und das hat gute Gründe. Schließlich sind eine Reihe der Bausünden an Denkmalen hausgemacht: Heute bedauern die meisten, daß der Westberliner Senat damals jene Investoren mit hohen Prämien bedacht hatte, die dem Stuck an den Fassaden mit Hammer und Meißel zu Leibe rückten, um eine schnelle, kostengünstige Sanierung der Gebäude voranzutreiben. Ganze Straßenzüge haben nun den Charme von Kasernenhöfen.

In vielerlei Hinsicht hat man dazugelernt: In den neuen Sanierungsgebieten im Ostteil der Stadt erstrahlen schon vereinzelte, frischgeputzte Altbaufassaden wie blinkend überkronte Zähne zwischen dem morschen Bestand, für den seit Kriegsende kein Finger mehr gekrümmt wurde. Jugendstilambiente läßt sich eben besser vermarkten als die mit billigen Mitteln aufgehübschten Mietskasernen. Bedauerlich bleibt, daß die alten Holzdoppelfenster allmählich verschwinden und durch die pflegeleichten Thermopenscheiben ersetzt werden. Finanziell wird der Raubbau an alter Substanz wieder vom Staat subventioniert. Die Bewohner haben heute eben ein anderes Wärmebedürfnis als noch vor achtzig Jahren. Deshalb floh bereits vor zehn Jahren die Belegschaft der Bewag aus ihrem Bürogebäude am Reichpietschufer. Seitdem gammelt der Bau vor sich hin. Ohne aufwendige Wärmedämmaßnahmen gilt das 1912 von Karchow errichtete Gebäude als Zumutung. Wäre jedoch eine Einrichtung wie die Architektenkammer dort ansässig, würde man ein wenig Luftzug mit Freuden ertragen, zumal das Haus sowohl unter ästhetischen als auch unter bauhistorischen Gesichtspunkten als Juwel seiner Epoche gilt.

Mit moderner Wärmedämmung und Schallschutzmaßnahmen wird man all den Fünfziger- Jahre-Bauten nun zu Leibe rücken. Maßnahmen, die sich mit den Regeln der Denkmalpflege nur schlecht in Einklang bringen lassen. Und nach der ökologischen Steuerreform wird nur noch die Sanierung von Gebäuden, die älter als fünfzig sind, steuerlich begünstigt. Kürzungen gibt es auch bei anderen Altbauten: Statt der zehn Prozent Sonderabschreibung, die bislang für denkmalgeschützte Häuser galt, müssen sich Investoren nun mit fünf Prozent begnügen. Eine Maßnahme, die sich als Sargnagel für die Denkmalpflege erweisen wird. Denn private Geldgeber, die in den Leerstand investieren, werden dringend gebraucht. Kirsten Niemann