Diepgen hofft auf Nobelpreisträger aus Dahlem

■ Endlich geschafft: Mit einer „Gründungsfeier“ im Audimax ging das FU-Jubiläumsjahr zu Ende

Diesmal waren die StudentInnen mit dem Streiken rechtzeitig fertig. Vor zehn Jahren waren die Feiern zum 40jährigen Bestehen der Freien Universität (FU) noch im Trubel des großen Studentenstreiks 1988 untergegangen. Jetzt fanden die Proteste rechtzeitig vor dem Jubiläum statt, sie tangierten nur noch den Auftaktvortrag des amerikanischen Botschafters John Kornblum im Januar. So konnte FU-Präsident Johann W. Gerlach gestern einen „Dank an die Studenten“ aussprechen, „die uns dieses Fest ruhig feiern lassen“.

Statt der Jugend von heute hatten sich zahlreiche Gründungsstudenten von 1948 zur Gründungsfeier im Auditorium maximum eingefunden, zum Höhepunkt und Abschluß des Jubeljahres. Ein bißchen Gegenwart blieb ihnen aber nicht erspart. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) versprach der FU, das durch Spardebatten im Wissenschafts- und Klinikbereich doppelt bedrohte Steglitzer Universitätsklinikum zu erhalten. Zugleich bekräftigte er das Versprechen des Senats, 85.000 „ausfinanzierte“ Studienplätze „nicht nur in den billigen Fächern“ zu erhalten.

Ansonsten riet Diepgen den Hochschulen aber, nicht zu „lamentieren“. Er hoffe, daß Berlin eines Tages wieder Nobelpreisträger hervorbringe. „Der Weg dahin hat nicht nur mit staatlichen Zuschüssen zu tun“, schärfte Diepgen den Wissenschaftlern ein. Wenn die FU mit den Berliner Politikern unzufrieden sei, habe sie sich das selbst zuzuschreiben: „Dann müssen Sie darüber nachdenken, ob Sie uns falsch ausgebildet haben.“

Diepgen saß 1963 für zwei Wochen dem FU-Asta vor, dann wählten ihn die Studenten wieder ab, weil sie sich nicht von einem Burschenschaftler vertreten lassen wollten. Doch seine Gegenspieler von damals, die später als 68er ein prominenteres Kapitel der FU- Geschichte schreiben sollten, spielten gestern keine Rolle. Nur kurz erwähnte Diepgen „die gesellschaftskritischen jungen Leute, die in die postindustrielle Leistungsgesellschaft schwer zu integrieren waren“.

„Teilweise war es schwierig, die Gründungsideale hier zu finden“, ergänzte US-Botschafter Kornblum, der Glückwünsche seines Präsidenten Bill Clinton im Gepäck hatte. Doch Kornblums Hinweis, Visionen seien wichtiger als Geld, mochten die Hochschulvertreter nicht akzeptieren. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Klaus Landfried, warnte die Politiker vor „immer neuen Einfällen zum Schönrechnen von Studienplatzzahlen“. FU-Vizepräsident Peter Gaehtgens klagte, in Berlin selbst würden die überragenden Leistungen der FU „noch nicht ausreichend gewürdigt“. Unter heftigem Applaus sagte Gaehtgens: „Daß die FU kleiner wird, ist gut. Aber kleiner gemacht werden darf sie dabei nicht.“

FU-Präsident Gerlach trat gestern zum ersten Mal seit seinem schweren Autounfall im Februar wieder selbst ans Rednerpult. „Es war ein kleiner Unfall mit großen Folgen“, sagte er, „nach zehn Monaten stehe ich wieder einigermaßen repariert vor Ihnen.“ Das sei „ein kleines Wunder“. Er dankte Gaehtgens für seinen Einsatz als kommissarischer FU-Chef und fügte in Anspielung auf die Neuwahl im kommenden Sommer hinzu: „Ich hoffe, daß Sie das noch lange weitermachen können.“ Ralph Bollmann