Preis für illegale Flüchtlinge

■ Die französische Immigrantenorganisation "Sans-Papiers" und ihre Sprecherin Madjiguene Cisse erhielten von der Internationalen Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille

Die Internationale Liga für Menschenrechte hat gestern in Berlin der französischen Organisation von Einwanderergruppen „Coordination National de Sans- Papiers“ und ihrer Sprecherin Madjiguene Cisse die Carl-von- Ossietzky-Medaille überreicht.

Als sans-papiers bezeichnen sich in Frankreich Ausländer, die ohne Papiere in der Illegalität leben. Die Flüchtlinge setzen sich für bessere Lebensbedingungen und eine neue Staatsbürgerschaftsregelung ein. „Sans-Papiers“ wurden 1996 international bekannt, als 300 Flüchtlinge meist afrikanischer Herkunft die Pariser Kirchen St. Ambroise und St. Bernard besetzten und von der Polizei brutal geräumt wurden.

Den Sans-papiers sei es gelungen, mit Demonstrationen, Hungerstreiks und anderen Aktionen auf das Schicksal von Flüchtlingen aufmerksam zu machen, sagte der Journalist Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung) in seiner Laudatio. Die Bewegung habe es geschafft, ein Netzwerk von Hilfsangeboten aufzubauen. „Ihr Widerstand hat den sogenannten Illegalen Selbstbewußtsein und Kraft gegeben.“ Prantl kritisierte die Asylpolitik der neuen Bundesregierung. Sie sei in diesem Bereich „zu keiner Bewegung“ bereit. Die „Sans-Papiers“ könnten auch zu einem „Kometen“ für die Kirchenasylbewegung in Deutschland werden, sagte Prantl. Die „Sans-Papiers“ arbeiteten intensiv mit den Organisationen der Arbeitslosen und Obdachlosen zusammen, sagte Cisse. Es gehe darum, zu zeigen, daß die sozialen Probleme in Frankreich und anderswo – entgegen allen Vorurteilen – nicht auf Faulheit von Arbeitslosen und Schmarotzertum von Ausländern zurückgingen. „Wir wollen die Argumentation entkräften, nach der die Ausländer schuld sind an der Arbeitslosigkeit.“

In Deutschland arbeitet die Organisation mit der Kampagne „Kein Mensch ist illegal“ zusammen, die mit einem entsprechenden Aufruf im Oktober an die Öffentlichkeit ging. 150 Flüchtlingsinitiativen, Kirchen-, Gewerkschaftsgruppen und mehr als 1.000 Einzelpersonen signalisierten damit ihre Unterstützung für hierzulande illegal lebende Ausländer.

Die Internationale Liga für Menschenrechte vergibt die Carl- von-Ossietzky-Medaille seit 1962 jedes Jahr für besondere Verdienste um die Menschenrechte. 1997 wurden die Macher der Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ ausgezeichnet.

Der Pazifist Carl von Ossietzky war wegen eines Artikels über die geheimen Aufrüstungspläne der Reichswehr verurteilt worden und kam 1933 in Gestapo-Haft. 1935 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er starb 1938 an den Folgen der Haft. dpa/epd