■ Die PDS fordert eine Amnestie für verurteilte Mauerschützen
: Im Interesse des Ostens?

Der Vorschlag wird Empörung auslösen. Den Mauer-Mördern auch noch Geld schenken? Infam! So dürfte das öffentliche Echo auf die Forderung der PDS ausfallen, eine Amnestie für Mauerschützen und ihre Vorgesetzten zu erlassen und sie für abgesessene Haft zu entschädigen. Womit haben die Täter der Jahre vor 1989 schon 1999 einen Persilschein verdient, lautet die Frage, Mörder bleiben schließlich Mörder. Und in der Tat: Empörung ist angebracht – doch nicht, weil hier Verbrechern Milde zuteil wird.

Amnestien sind nicht Akte der Menschlichkeit, sondern der Staatsklugheit. Ihr Ziel ist nicht vorrangig, Schurken einen beschaulichen Lebensabend zu ermöglichen, sondern in einer zerrissenen Gesellschaft Rechtsfrieden zu stiften. Nicht einmal Reue über die eigenen Schandtaten verlangt das Amnestie- Prinzip von den Begünstigten. Deshalb ist unerheblich, ob sich zum Beispiel der einstige DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler eine Haft-Entschädigung nach PDS-Modell verdient hat. Der Sinn einer Amnestie liegt nicht in den Annehmlichkeiten, welche sie den Amnestierten beschert, sondern in der Geste gegenüber der Gesellschaft.

Genau darauf zielt die PDS – und darin liegt das Skandalon. Ihr geht es nicht um die paar Dutzend verurteilter Genossen, die an den Schreibtischen oder auf den Wachtürmen am Schießbefehl auf Mauerflüchtlinge beteiligt waren. Der „Versöhnung“ solle die Amnestie dienen, die innere Einheit befördern und das Aufeinanderzugehen von Ost und West dokumentieren. Aus diesem Grund möchten die Sozialisten ihren Gesetzentwurf als Beitrag zum 50. Geburtstag des Grundgesetzes verstanden wissen.

Damit suggeriert die PDS, bei der Kontroverse um die Mauerschützen handele es sich um einen Ost- West-Konflikt. Sie unterstellt, die strafrechtliche Verfolgung der großen und kleinen Schuldigen am DDR- Unrecht sei den Ostdeutschen von den Westdeutschen aufoktroyiert worden. Nicht nur schürt diese Haltung Vorurteile gegen Westler. Viel wichtiger ist, sie täuscht vor, die Ostdeutschen hätten kein Interesse an einer Verfolgung der Täter in ihrer Mitte. Damit beraubt die Partei, die so gerne ostdeutsche Interessen repräsentieren würde, den Osten seines Rechts auf Vergangenheitsbewältigung. Letztendlich macht sie die Ostdeutschen kollektiv zu Mauerschützen.

Eine Amnestie à la PDS ist infam – aber nicht weil die Sozialisten Mörder laufen ließen, sondern weil sie ein verlogenes Geschichtsbild zu zementieren suchen. Patrik Schwarz