„Das sollte die neue Umgangsform sein“

■ Das deutsch-tschechische Forum braucht Aufgaben, meint Bundestagsvize Antje Vollmer (Grüne)

taz: Kontroverser geht's nicht. Bundespräsident Herzog konzentrierte sich aufs Heute, der tschechische Präsident Havel auf die Zukunft – den EU-Beitritt Tschechiens. Waren da gehaltvolle Gespräche möglich?

Antje Vollmer: So groß waren die Differenzen gar nicht. Beide haben auf ihre Weise gesagt, daß sich das Forum mit der Zukunft, der schwierigen europäischen Integration, befassen soll. Das geht nur, wenn man sich nicht zu sehr in Vergangenheitsdebatten und bilateralen Befindlichkeiten verstrickt. Diese Gefahr war in der Tat gegeben: Die Zusammensetzung des Gremiums geht ja auf einen Kompromiß zwischen der alten Bundesregierung und den bayrisch-sudetendeutschen Interessenvertretern zurück, die sich lange sperrten. Ich habe den Eindruck, daß man den Sudetendeutschen als Satisfaktion einen großen Einfluß sowohl auf den Zukunftsfonds als auch auf die Zusammensetzung des Forums eingeräumt hat. Hier in Dresden spielte dieser Einfluß aber nur eine unwesentliche Rolle. Es gab gute, sachliche Gespräche.

Trotzdem wurde von Tschechien erneut gefordert, die Benesch-Dekrete für obsolet zu erklären.

Das hat rituellen Charakter. Die Benesch-Dekrete sind ganz wichtig für die tschechische Identität während der Deutschen Okkupation. Sie umfassen die gesamte Gesetzgebung der tschechischen Exilregierung. Lediglich zwei, drei dieser Dekrete befassen sich mit der Vertreibung der Deutschen. Deswegen zu fordern, die Benesch- Dekrete aufzuheben, ist unsinnig. Sowohl die tschechische Regierung als auch das Parlament haben sich zum Thema Vertreibung der Sudeten wiederholt erklärt, Schuld eingestanden und um Vergebung gebeten. Wem das immer noch nicht reicht, der will offenbar gar keine konkrete Stellungnahme zur Vergangenheit, sondern der versucht einen ständigen Vorwurf offenzuhalten, um mit ihm das bilaterale Verhältnis zu torpedieren.

Ansonsten drehte es sich um pragmatische Fragen wie Finanzen oder Jugendarbeit. Ist das die neue Umgangsform von Tschechen und Deutschen?

Vergessen sie nicht: Das war das allererste Treffen, da muß sich die Gemeinde erst noch finden. Insofern waren die Ergebnisse ordentlich. Man muß aber aufpassen, daß die Konferenzen künftig nicht eine Art Vereinscharakter bekommen. Konkret formulierte Aufgaben sind notwendig, die das Forum zu bewältigen hat. Dadurch würde es auch gelingen, die ständigen Einwände zur Vergangenheit beiseite zu schieben, was sich ja in Dresden schon angedeutet hat. Und das sollte die neue Umgangsform der Nachbarn sein. Interview: Nick Reimer