Lob des Gesprächs

Das Bündnis: Arbeitgeber freuen sich über Regierungskontakte, Gewerkschaften überwinden ein Trauma  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Eines zumindest ist klar: Gewerkschaften und Arbeitgeber wollen im Bündnis für Arbeit an einem Strang ziehen. Doch der Prozeß wird zäh und langwierig. Viele Themen sollen gleichzeitig angegangen werden. Auf acht Arbeitsgruppen haben sich die Teilnehmer der ersten Bündnisrunde im Kanzleramt am Montag abend verständigt. Dort sollen folgende Themen besprochen werden: Aus- und Weiterbildung, Steuerpolitik, Lebensarbeitszeit (Stichwort: vorzeitige Rente mit 60), Reform der Sozialversicherungssysteme, Arbeitszeitpolitik, Aufbau Ost, Abfindungen bei Entlassungen und Vergleich von Bündnissystemen in anderen Ländern.

Wie sich die Gesprächsrunden zusammensetzen werden, ist noch nicht verabredet. Ebensowenig hat sich die Kanzlerrunde über die Aufgabenstellung der Arbeitsgruppen Gedanken gemacht. Im Bundeskanzleramt hieß es gestern dazu lapidar: „Wir haben erst einmal alles auf die Schiene gebracht.“

Viel Zeit bleibt nicht zur Definition. Die nächste Bündnisrunde soll am 25. Februar in Bonn zusammenkommen. Nach Einschätzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sollen dann die ersten Themen besprochen werden. Der vorzeitige Ruhestand werde aller Voraussicht nach als Spitzenthema behandelt, vermutet der DGB.

Gestern waren die Konturen der neuen Partnerschaft aber auch bei den Arbeitgebern noch nicht fest umrissen. Der Montagnachmittag beim Kanzler mache „Mut zur Hoffnung“, sinnierte Gesamtmetallchef Werner Stumpfe. Immerhin habe der Kanzler eine vorgezogene Senkung der Unternehmenssteuer in Aussicht gestellt. Auch wenn Finanzminister Oskar Lafontaine nun sage, er könne Steuersenkungen nur akzeptieren, wenn die Gegenfinanzierung gesichert sei, halte er die Aussage Schröders für ein Signal. „Bisher hat die Regierung ihre Vorhaben einfach nur verkündet, ohne mit uns zu reden, jetzt bietet sie den Einstieg in eine Diskussion. Und das schafft Vertrauen“, so Stumpfe gestern zur taz.

Bundeskanzler Schröder ist es am Montag offensichtlich gelungen, ein „Klima des Vertrauens“ zu zaubern. Dies soll die Basis sein, von der aus die Möglichkeiten für eine Lösung zum Abbau der Arbeitslosigkeit gesucht werden. In kleinen Schritten wollen Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politik sich an die Reform der Gesellschaft herantasten. Da mögen auch die Gewerkschaften den Erwartungsdruck jetzt nicht erhöhen. Der Montag habe gezeigt, daß man fair und vernünftig miteinander reden werde, sagte DGB-Sprecherin Sabine Nehls.

Beinahe scheint es so, als hofften alle, an die Erfolgsgeschichte der Republik seit 1967 anknüpfen zu können. Seit der damaligen Großen Koalition gehörten Verabredungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften dazu, bis es 1996 zum Bruch kam. Damals ließ die CDU das gerade verabredete erste Bündnis für Arbeit platzen. Nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein, als die FDP wieder in die Länderregierungen eingezogen war, dachte die CDU, sie sei auf ein Bündnis mit den Gewerkschaften nicht mehr angewiesen. Zum Wohlgefallen der Arbeitgeber kürzte sie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und verschärfte den Kündigungsschutz. „Das haben sie uns einfach vor den Latz geknallt. Und bei uns war es vorbei mit dem Wohlwollen“, so Sabine Nehls.

Dieses Trauma scheinen die Gewerkschaften seit Montag bewältigt zu haben. Folglich bewerten auch die Grünen das erste Gruppengespräch seit zwei Jahren als „persönlichen Erfolg“ von Bundeskanzler Schröder. Grünen- Fraktionssprecher Rezzo Schlauch sagte, Schröder habe seine Stärken als Kommunikator und Moderator ausgespielt.

Nur einer will nicht in den Harmoniegesang einstimmen. Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, kritisierte gestern, es gebe keine Hinweise darauf, daß man Instrumente gefunden habe, die in vergleichbaren Ländern zu mehr Beschäftigung geführt hätten. Statt dessen greife man auf alte Tricks wie Arbeitszeitverkürzung zurück, mit denen man schon in den letzten 25 Jahren gescheitert sei. Kommentar Seite 12