: Die Autobahn als wahres Artefakt
Parkplätze zu Parkanlagen: Wie die Architektin Beth Galí den öffentlichen Raum verschönt ■ Von Hajo Schiff
Ein dicker Holzpfahl wird in der Ecke von einer leise rumpelnden Maschine langsam zu Staub zerfräst, und an der Wand hängen sauteure Zeichnungen von Antoni Tapies: Können Architekturausstellungen für Fachfremde sonst ziemlich langweilig sein, ist diese über die Architektin Beth Galí etwas anders als üblich. Die Hochschule für bildende Künste hatte die Leiterin des Stadtplanungsamts in Barcelona im Rahmen der Frauenringvorlesung nach Hamburg gebeten, und die Galerie Kammer dokumentiert dazu eine Auswahl von Realisierungen und Entwürfen der Katalanin.
In Barcelona bearbeitete die interdisziplinäre Gruppe um Beth Galí mit Blick auf die olympischen Spiele von 1992 in zehn Jahren über 160 städtische Umgestaltungsprojekte, sie selbst arbeitet dabei in umfassender Breite vom Lichtdesign bis zum Hochbau, ist aber vor allem als Landschaftsarchitektin international bekannt geworden. In diesem Bereich gelingen ihr umfassende Neudefinitionen des öffentlichen Raumes: Die gesamte Altstadt der niederländischen Stadt 's-Hertogenbosch gestaltete sie von den Fahrradständern über die Pflasterung bis zur Ausrichtung der Straßen auf einen Neubau, in Rotterdam hat sie einen Großparkplatz als eigenständigen Raum aufgefaßt und den Platz zum Parken fast zum Park gestaltet.
Beth Galí definiert Parks ganz unromantisch mit mediterraner Rationalität als vorwiegend architektonisch gegliederte Landschaftsräume, bei denen die öffentliche Nutzung im Vordergrund steht. Ihre öffentlichen Plätze sind dagegen Erweiterungen des profanen Straßenraumes zu Stadtlandschaften. Garten- und Landschaftskunst war jahrhundertelang ein geschätztes Kulturgut. Das ist heute nicht mehr so, es sei denn, man bewertet die Vergnügungsparks als Ausdruck der gegenwärtigen Diskussion. Doch geht es dabei wohl mehr um Zerstreuung statt Anschauungsgewinn oder der Erfahrung von Natur.
Die Gedenkstätten und urbanen Interventionen in Barcelona bilden zwar den Schwerpunkt der jetzigen Ausstellung, doch besonders interessant sind die Entwürfe für den so vernachlässigten öffentlichen Raum in Deutschland: Das Projekt für zwei Parks am Potsdamer Platz in Berlin, bei dem der Künstler Antoni Tapies mitgearbeitet hat, und der Entwurf für einen „Reisegarten“ als eine Autobahnüberbauung im Rahmen der EXPO 2000.
Zwischen Vlotho und Exter in der Nähe des Durchbruchs der Weser durch das letzte Gebirge vor der norddeutschen Tiefebene sollen durch Überbauung des harten Landschaftseinschnitts einer Autobahn die topographischen Bezüge wieder hergestellt werden. Beth Galí leugnet dabei nicht die aktuelle Verkehrsader, sondern entwirft eine komplexe Synthese von Ingenieurbau, Grünflächen und Kunst. Dabei entsteht durch ein System von Teilüberbauungen eine neue fußläufige Landschaft, die die Autobahn nicht leugnet und in der Einformung eines Kafka-Briefs moderne Kommunikation reflektiert. Und auch für die Autofahrer gibt es neue Eindrücke: Die unterschiedlichen Formen der Überbauung ergeben unterfahren in der Abfolge von Licht und Schatten eine Sinuskurve, eine moderne Interpretation der Lichtorganisation alter Barockgärten.
Auch wenn diese ebenso sanfte wie innovative Reparatur des Landschaftsraumes nicht den ersten Preis zugesprochen bekommen hat, bleibt sie weiterhin in der Diskussion – möglicherweise als offizieller spanischer Beitrag zur EXPO. Und so wird man dort vielleicht auch eine große Version des sich zermahlenden Holzpfahls von Antoni Llena erleben können: als „Selbstzerstörungs-totem“, der dem Rauschen des vorbeifließenden Verkehrs seinen Sound der Vergänglichkeit hinzufügt.
Galerie Renate Kammer, Münzplatz 11; Di + Fr, 12 – 18 Mi + Do, 12 – 19; Sa, 11 – 14 Uhr, bis 9. Januar 1999
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen