Die Bayern liegen weiter vorn

■ Voll Bierkellercharme: Mit der heutigen Eröffnung der 68 Millionen Mark teuren Landesvertretung hat sich der Freistaat als erstes Bundesland in Berlin niedergelassen. Andere Länder hinken hinterher

Es gibt eine gemütliche Weinstube, deren Wände mit süffigen Panoramen verziert sind. Darüber liegen die Räume „Niederbayern“ und „Oberfranken“. Blauweißen Charme mit goldenen Löwen versprüht der Saal der Staatsregierung. Und natürlich beherbergt das Gebäude auch einen Bierkeller: großräumig, mit langen Holztischen – richtig zünftig für die „Maß“ Bier, das regionale Erfrischungsgetränk.

„Die Bayerische Vertretung in Berlin ist ein Schaufenster bayerischer Lebensart in der Hauptstadt. Doch die nicht ganz spannungsfreie Geschichte zwischen Preußen und den Bayern wird hier nicht weitergeschrieben. Ein neues Kapitel soll aufgeschlagen werden.“ Und das soll nach den Worten von Reinhold Bocklet, bayerischer Staatsminister für Bundesangelegenheiten, so aussehen: Die neue Ländervertretung in Berlin wird nicht nur Residenz der Ministerpräsidenten sein, sondern ein Ort für Ausstellungen, kulturelle, wissenschaftliche und politische Foren, ein „offenes Haus“ eben, das den „Dialog zwischen Bayern und dem Rest der Republik“ befördert. Sapradi!

Mit der heutigen Eröffnung der Ländervertretung in Berlin zieht der Freistaat nicht nur als erstes Bundesland in die Hauptstadt. Auch beim Kauf und dem Umbau eines alten Bankhauses aus dem 19. Jahrhundert im Stadtbezirk Mitte hat sich die Staatsregierung nicht lumpen lassen. Satte 27 Millionen Mark, berichtete Bocklet gestern, kostete der Kauf der Liegenschaft aus dem Vermögen der Treuhandanstalt. Noch einmal 41 Millionen Mark investierte Bayern in die Modernisierung „für die ideale Repräsentation beim Bund“. Dafür wurde die historistische Fassade saniert, die alte Kassenhalle in ein schickes Foyer umgebaut sowie Büro-, Sitzungs- und Konferenzräume im Stil der sieben bayerischen Regierungsbezirke eingerichtet.

Die Attraktion der Ländervertretung bildet ein 300 Quadratmeter großer glasüberdachter Innenhof, der für Empfänge und Ausstellungen genutzt werden kann. „Das Oberlicht“, wußte Ministerialdirektor Walter Schön zu berichten, „kann man im Sommer öffnen und den Himmel über Berlin in die Halle hereinlassen.“

Daß der Freistaat groß in der Hauptstadt auftrumpft, zeigt auch ein Blick auf die alte Ländervertretung in Bonn. Während die bayerischen Beamten in der Bonner Residenz mit 2.100 Quadratmeter Grundfläche auskommen mußten, haben die 60 Mitarbeiter der Staatsregierung in der Berliner Luxusherberge Raum auf 6.700 Quadratmetern. Zum Vergleich: Die Vertretung von Baden-Württemberg besitzt 2.500 Quadratmeter, die von Nordrhein-Westfalen 3.800 Quadratmeter Fläche.

Damit die Losung „Bayern vorn“ auch in der Hauptstadt zählt, hat das Land 1992 einen klugen Schachzug gewählt. Statt wie viele andere Ländervertretungen, die in Berlin Neubauten planen, entschieden sich die Bayern für einen Altbau. Vorteile gegenüber anderen Ländern, die sich nahe des Regierungsviertels niederlassen, sieht Bocklet zum einen in der „besonderen urbanen Lage“ nahe der Friedrichstraße, der Straße Unter den Linden und als Nachbar der Komischen Oper. Zum anderen gingen die Genehmigung und Sanierung des Bauvorhabens flott vonstatten, da das viergeschossige Bankhaus im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört und vom letzten Mieter, der Deutschen Handelsbank (ehemalige DDR), gut erhalten wurde.

Die Bayern werden bis auf weiteres die erste und einzige Ländervertretung in Berlin bleiben. Zwar befinden sich die Länder Thüringen und Brandenburg mit ihren Bauvorhaben auf der Zielgeraden. Aber elf der insgesamt 16 Länder besitzen lediglich Grundstücke und stecken mit der Planung in den Kinderschuhen. Besonders die Bauvorhaben im Diplomatenviertel im Tiergarten und nahe des Potsdamer Platzes können dauern. „Vor dem Jahr 2000 oder sogar später“, konstatiert die zuständige Referentin in der Senatsbauverwaltung, Annalie Schoen, würden die nicht von Bonn nach Berlin ziehen können. Rolf Lautenschläger