Die Befreier fühlen sich immer freier

Namibias herrschende Ex-Befreiungsbewegung Swapo wird immer selbstherrlicher. Die Verfassung wird geändert, damit Präsident Nujoma länger regieren kann. Kritiker konstatieren eine „Kultur der Angst“  ■ Von Kordula Doerfler

Johannesburg (taz) – Im südlichen Afrika blühen autoritäre Tendenzen auf. Nun ist auch Namibias Präsident Sam Nujoma entgegen allen früheren Beteuerungen dabei, sich eine Herrschaft auf Lebenszeit zu basteln – nach dem Vorbild seines Freundes Robert Mugabe in Simbabwe, mit dem er gemeinsam auch Laurent Kabila im Kongo unterstützt.

Der Gründervater der namibischen Befreiungsbewegung Swapo, die das Land seit dem Ende der südafrikanischen Besatzung und der Unabhängigkeit 1990 regiert, ließ extra die Verfassung ändern, damit er 1999 für eine dritte Amtszeit kandidieren kann. Die Änderung besagt, daß der erste Präsident Namibias für drei fünfjährige Amtszeiten kandidieren darf, alle künftigen jedoch, wie bisher, nur zwei. Und weil der 69jährige Nujoma 1990 nicht direkt vom Volk, sondern von einer Verfassunggebenden Versammlung gewählt wurde, sei seine laufende Amtszeit 1994–99 doch eigentlich die erste, heißt es offiziell.

Da die Swapo im Parlament über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, war die Verfassungsänderung kein Problem. In der Swapo, die bei den letzten Wahlen 1994 über 70 Prozent der Stimmen erhielt, ist diese Lex Nujoma aber keineswegs unstrittig. Nujoma selbst ließ sich klugerweise nur auf „ausdrücklichen Wunsch der Partei und des Volkes“ zu einer dritten Amtszeit drängen. Prominente Parteimitglieder indessen zogen drastische Konsequenzen. Ben Ulenga etwa, Mitglied des Zentralkomitees und bis Mitte dieses Jahres wichtiger diplomatischer Vertreter in Großbritannien, trat im August von seinem Posten zurück. Damit protestierte er nicht nur gegen die Verfassungsänderung, sondern auch gegen den Militäreinsatz im Kongo. Ein weiterer Veteran des Befreiungskampfes, Emil Appolis, legte sogar Klage vor dem Obersten Gericht in Windhuk ein.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Verfassungsänderung scharf. Schon im August konstatierte die National Society for Human Rights (NSHR) eine „Kultur des Schweigens und der Angst“ in Namibia. Grund sei die stark zentralisierte und personalisierte Politik, die es Normalbürgern unmöglich mache, an Regierungsentscheidungen teilzunehmen. „Eine dritte Amtszeit von Präsident Sam Nujoma wird sehr wahrscheinlich zur weiteren Entwertung von persönlichen Rechten und zu einer Verschärfung der ethnischen Konflikte führen“, hieß es. Die Swapo könne ihre Stellung nur deshalb halten, weil sie Vetternwirtschaft betreibe und Mitglieder des nordnamibischen Ovambo-Volkes bevorzuge.

„Wenn man keine Verwandten in der Regierung hat, hat man keinerlei Aussichten auf einen guten Job“, sagt Katuutire Kaura, Vizevorsitzender der oppositionellen „Demokratischen Turnhallenallianz“ (DTA). „Es ist eine reine Ovambo-Verwaltung geworden.“ Die DTA, die zu Apartheidzeiten als Statthalter Südafrikas galt, steckt derzeit in Schwierigkeiten. Ihr ehemaliger Vorsitzender Mishake Muyongo führt eine Sezessionsbewegung im sogenannten Caprivi-Streifen. Der bizarre Landzipfel, Erbe der kolonialen Grenzziehung, ragt aus Namibias Nordosten mehrere hundert Kilometer nach Osten bis zum Sambesi-Fluß an der Grenze zu Simbabwe. Etwa 450 Namibier, die im Caprivi-Streifen einen bewaffneten Aufstand mit dem Ziel einer Abspaltung planten, sind inzwischen nach Botswana geflüchtet. Die ohnehin schlechten Beziehungen zwischen beiden Ländern sind nun noch angespannter.

Nujoma wirft den „Terroristen“ vor, ein „teuflisches Bündnis aus Unzufriedenen“ zu sein. Gründe für Unzufriedenheit gibt es in Namibia immer mehr. Die Armut wächst; fast ein Drittel der 1,5 Millionen Einwohner lebt einer UNO- Studie zufolge sogar unter dem Existenzminimum. 60 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos oder unterbeschäftigt.

Dessenungeachtet leistet sich Nujoma Krieg im Kongo. Namibia unterstützt Kabila mit etwa 200 Soldaten und Tonnen von Kriegsgerät. Gegen Proteste der Bevölkerung wurde hart durchgegriffen. Öffentliche Demonstrationen werden in Namibia kaum noch genehmigt, Grundrechte wie die Pressefreiheit beschnitten. Unlängst landeten zwei südafrikanische Journalisten, die über die Unruhen im Caprivi-Streifen berichten wollten, zwei Tage im Gefängnis.

Nujomas Regierung will künftig auch wie in Simbabwe Homosexualität strafbar machen. Der Schutz von Homosexualität könne kein Grundrecht sein, sagte Innenminister Jerry Ekandjo: „Wenn ein Hund weiß, daß sein richtiger Partner ein weiblicher Hund ist, wie kommt es, daß Menschen so etwas nicht wissen?“