Er fuhr immer „harte Kante“

Klaus Matthiesen, sozialdemokratisches Urgestein, erklärter Gegner der Grünen und einer der profiliertesten Politiker Nordrhein-Westfalens, ist gestern gestorben  ■ Von Bettina Grönewald

Düsseldorf (dpa/taz) – Ein Mann, sprühend vor Energie, ständig unter Strom, immer auf Linie, und die hieß „rot pur“. So kannten Freund und Feind den Sozialdemokraten Klaus Matthiesen. Der Vollblutpolitiker starb überraschend in der Nacht zum Mittwoch – zu einem Zeitpunkt, als der 57jährige gerade noch einmal die Ärmel aufgekrempelt hatte, um sich einer neuen Herausforderung als Wirtschaftskapitän zu stellen.

Erst am Dienstag hatte sich Matthiesen tatkräftig und munter, mit großen Zielen erstmals als neuer Vorstandschef des Kölner Rohstoffverwerters Interseroh AG der Öffentlichkeit präsentiert. Keine Spur von Krankheit oder Schwäche. „Für mich ist das Ganze noch unfaßbar“, drückte der frühere Ministerpräsident Johannes Rau als erster und stellvertretend für viele die tiefe Bestürzung aus, die die Genossen in Nordrhein- Westfalen nach der Todesnachricht ergriffen hatte.

Nicht erst seit die rot-grüne Regierungskoalition in Düsseldorf im Sommer 1995 funkensprühend geschmiedet wurde, galt Matthiesen als kämpferisches Bollwerk gegen die Grünen. Der Landtag diente dem streitlustigen SPD-Fraktionschef stets als Arena, um als Verfechter von „rot pur“ lautstark und wortgewaltig Grüne zu attackieren – gerne auch die auf der Regierungsbank.

Matthiesen ragte rhetorisch weit aus der Mitte der Landespolitiker heraus. Er war in der Wortwahl kräftig, manchmal auch deftig, fuhr immer „harte Kante“, formulierte unzweideutig. Oft hämmerte er seine Worte laut und überakzentuiert aneinander, als wollte er auch dem letzten Hinterbänkler einbleuen, was er zu sagen hatte. Vor der Wahl von Wolfgang Clement zum neuen Ministerpräsidenten im vergangenen Mai hatte er morgens noch seine Genossen zusammengetrommelt, um sie akribisch zu unterweisen, wie und wo sie ihr Kreuzchen zu setzen hätten. Typisch für den hemdsärmeligen Pragmatiker, der nichts dem Zufall überlassen wollte.

In den letzten Amtsjahren Raus war aus Matthiesens Umfeld immer wieder der Aufruf zur Politikerneuerung gekommen. Er setzte klar und frühzeitig auf „den Macher“ Clement. Die Achse Matthiesen–Clement galt als „Hardliner-Position“ gegen Rot-Grün. Beide Politiker waren jahrelang als Kronprinzen Raus gehandelt worden.

1966 war Klaus Matthiesen in die SPD eingetreten. Fünf Jahre später schaffte er mit einem Direktmandat den Sprung in den Kieler Landtag. Nur zwei Jahre später übernahm der 1941 im schleswig-holsteinischen Gangerschild Geborene den Vorsitz der SPD-Fraktion. Zehn Jahre blieb der kantige Friese Oppositionsführer in Schleswig-Holstein, bis ihn Johannes Rau 1983 als Landwirtschaftsminister an den Rhein holte. 1985 übernahm Matthiesen das Düsseldorfer Umweltministerium und behielt es zehn Jahre. Mit verschärften Umweltgesetzen reduzierte er die Luftbelastung im industriellen Kernland drastisch.

Doch dann mußte er zum SPD- Fraktionsvorsitzenden umsatteln. Bei den Landtagswahlen hatte die siegesgewohnte NRW-SPD ihre absolute Mehrheit verloren, und Rot-Grün war über Nordrhein- Westfalen hereingebrochen. Und das Ressort des Norddeutschen beanspruchte nun die Öko-Partei. Mit Bärbel Höhn wurde ausgerechnet eine der schärfsten Kritikerinnen seiner Tätigkeit als Umweltminister seine Nachfolgerin. Ein Graus für den erklärten Grünen-Gegner Matthiesen.

Dabei war er auf dem industriepolitischen Auge keineswegs blind. Den Bergleuten im „Land von Kohle und Stahl“ und ihren Arbeitsplätzen fühlte er sich stets verpflichtet. Eisern und unversöhnlich mit dem grünen Koalitionspartner kämpfte er bis zum Schluß um das geplante Braunkohlevorhaben GarzweilerII.

Völlig überraschend hatte der in zweiter Ehe verheiratete Vater eines erwachsenen Sohnes und einer Tochter Mitte Oktober seinen Rückzug aus der Landespolitik angekündigt. Vergnügt über den gelungenen Überraschungscoup hatte er vor den Fraktionstüren in die Mikrofone gesagt, mit ihm gehe zwar „ein Kerl“, aber niemand solle sich zu wichtig nehmen. „Jeder ist ersetzbar – auch Klaus Matthiesen.“