Knast ist für Schwule zumutbar

■ Kein Asylanspruch für rumänisches Homo-Paar / In der Heimat drohen den beiden Männern wegen ihrer „Krankheit“ fünf Jahre Gefängnis

er erste Schritt schien geschafft: George C., der 1990 mit seinem Lebensgefährten Cristian A. aus Rumänien flüchtete und heute in Henstedt-Ulzburg lebt, wurde zunächst als asylberechtigt anerkannt. Rechtskräftig wurde das Urteil jedoch nie, denn der „Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten“ klagte gegen die Entscheidung. Begründung: Eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, die in Rumänien Homosexuellen droht, sei nicht völlig unverhältnismäßig und somit hinnehmbar.

Das Verwaltungsgericht Schleswig gab dem Bundesbeauftragten am Freitag voriger Woche recht. Die 7. Kammer bestätigte, daß das deutsche Asylrecht auf homosexuelle Verfolgte nicht angewandt werden kann. In Rumänien, so der Richter, werde nur die homosexuelle Betätigung, nicht aber die Neigung an sich bestraft. Westeuropäische Maßstäbe könne man nicht einfach auf andere Kulturkreise übertragen.

Cristian A., George C.s Lebensgefährte, verschwieg bei seinem Asylantrag zunächst sein Schwul-sein; aus Angst vor Repressalien, falls er nach Rumänien zurückkehren muß. Sein Antrag wurde abgelehnt. Er klagt seinerseits gegen die Ablehnung seines Antrages und reicht die „aus Angst und Unkenntnis der gesetzlichen Grundlagen in der BRD verschwiegenen“ Informationen nach, berichtet das Kieler

Schwulen- und Lesbenzentrum, das das verfolgte Paar unterstützt.

Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Schleswig bat sich Bedenkzeit bis Ende nächster Woche aus, um über Cristian A.s Klage zu entscheiden. Wird auch er nicht als asylberechtigt anerkannt, ist aber noch nicht alles verloren. Mittels Ausländerrecht könnte eine „sozial“ verfolgte Minderheit als „politisch“ verfolgt definiert werden. Wird selbst das George und Cristian nicht zugestanden, müßte die Ausländerbehörde entscheiden, ob ein „Abschiebehindernis“ vorliegt und deshalb ein Bleiberecht in Deutschland ermöglicht wird.

„Da sie als homosexuelles Paar nach deutschem Recht wie Einzelpersonen behandelt werden“, so das Schwulen- und Lesbenzentrum, müsse möglicherweise auch mit einer in beiden Fällen unterschiedlichen Entscheidung gerechnet werden, zum Beispiel „daß nur einem Asyl gewährt, der andere aber abgeschoben wird.“

Silke Mertins

ristian und George wurden geschlagen, beschimpft und mit Gefängnis bedroht: Schwulsein bedeutet in Rumänien, erpreßbar zu sein. Als die beiden, seit 14 Jahren ein Paar, merkten, daß auch mit der politischen Wende in ihrer Heimat keine Besserung eintrat, packten sie ihre Koffer. „Wir wollen nur frei sein und unser Leben leben“, sagt Cristian. Sein Freund nickt. Erpreßbar wurden sie durch ihre Liebesbeziehung, die sie zu ihrem eigenen Schutz in den vielen Verhören leugneten.

Als der 43jährige George Anwerbeversuchen des Geheimdienstes Sekuritate trotzte, wurde der Kieferchirug versetzt und landete schließlich in einem kleinen Dorf. Sein Behandlungszimmer war nun gleichzeitig Schlafraum und Küche. „Das Dorf durfte ich nur manchmal verlassen. Lebensmittel oder Holz durfte ich dort nicht kaufen, mein Freund hat mich versorgen müssen“, sagt Georg. Sechs Jahre lang.

Bei seinem Freund Cristian, Lebensmittelchemiker, setzte der Geheimdienst auf Rufmord, nachdem er sich als Spitzel verweigerte. An seinem Arbeitsplatz wurde verbreitet, daß er schwul ist; in Rumänien eine „Krankheit“, die mit Gefängnis und Psychiatrie „behandelt“ wird. Als Paar zusammen zu leben ist in Rumänien undenkbar. Cristian und George fürchten, daß sie bei einer Ausweisung sofort inhaftiert werden: „Der Geheimdienst war bei uns erfolglos, das können die nicht hinnehmen.“

Um einen Platz zum Leben zu finden – „ohne Lügen und Verfolgung“ –, haben sie ihr Heimatland verlassen. „Wir wollten immer offen leben können.“ Menschlich haben sie gute Erfahrungen in Deutschland gemacht. Sogar auf dem Lande: An ihrem ersten Wohnort kümmerte sich gar der Bürgermeister persönlich um eine Wohnung für das Paar. Beide arbeiten seit 1991 als Altenpfleger. Auch wenn sie anders qualifiziert sind, sagen sie, machen sie die Arbeit gerne. „Wir waren und sind nun wieder in Not. Gerade deshalb tut es gut, für andere etwas tun zu können.“ Sie hoffen trotz allem, hier bleiben zu können. „Nach den Verhandlungen am vergangenen Freitag wollten wir erst aufgeben, doch die Anteilnahme und Unterstützung unserer Freunde macht uns Mut.“ Miguel-Pascal Schaar

Soli-Kontakt: Kieler Lesben- und Schwulenzentrum, 0431 / 17090