Betr.: "Schaut mich an!" - Foto von Malick Sigibe

Der Tänzer hat extreme Rückenlage. Twistartig biegt er sich zu Boden und stützt dabei seinen Körper akrobatisch mit den Füßen ab. Er strahlt vor Freude, weil er sich gegen alle Fliehkraft auf den Beinen halten kann; vielleicht auch, weil ihm die Musik gerade sehr zusagt oder weil eine Kamera bei seinen Verrenkungen zuschaut. In jedem Fall ist es ein fruchtbarer Augenblick, für beide, den Tänzer und den Fotografen.

„Schaut mich an!“ ist das Foto betitelt, das Malick Sigibé 1962 auf einer westafrikanischen Surprise- Party gemacht hat. Sigibé wurde 1935 in Mali geboren und zählt neben Seydou Keita zu den Wiederentdeckungen afrikanischer Fotografie. Während Keita traditionelle Stammesfürsten und Adelsfamilien porträtierte, hat sich Sigibé mit der neuen urbanen Jugendkultur in Mali, Senegal oder Burkina Faso beschäftigt. Seit 1960 arbeitet der gelernte Studiofotograf mit seiner Kleinbildkamera an Reportagen über privat organisierte Clubnächte. Sidibé dokumentiert den Umbruch, in dem sich Pop, Ritual und nachkoloniales Alltagsleben vermischen.

Tatsächlich sind die 180 Duotone-Abbildungen, die jetzt in einem von dem französischen Kurator André Magnin herausgegebenen Buch beim Scalo- Verlag erschienen sind (184 S., 88 DM), eine Vorwegnahme der Disco- und Rave-Tribes der siebziger und achtziger Jahre. „Der Discjockey war heilig!“ erinnert sich im Begleittext Youssouf Doumbia, genannt Garrincha, der damals Platten auflegte.

Die Clubs, die Sidibé besucht, sind improvisiert wie guter Underground. Bis in die Feinheiten der Kleidung ist alles stilisiert: Jede Anzugfalte, jeder Rocksaum sind Zeichen der Identifikation mit Stars wie James Brown, den Supremes, aber auch Françoise Hardy oder den Beatles. Auf einem Foto von 1964 sieht selbst Mori Kanté, der sich als gerade Dreizehnjähriger in Sidibés Fotostudio porträtieren ließ, wie sein Vorbild Stevie Wonder aus. Trotzdem zeigt Sidibé den jungen Mann nicht als Motown-Kopie, sondern in der Pose des zukünftigen Pop-Idols. Die Clubs von Mali hielten sich bis zum Staatsstreich im November 1968. Danach wurden die Parties verboten und die Schallplatten konfisziert. hf