■ Warum ein Schuldenerlaß für Nicaragua und Honduras nichts nützt
: Wie gezielte Hilfe aussehen könnte

Den vom Wirbelsturm „Mitch“ verwüsteten Ländern Honduras und Nicaragua sollen ein paar Erleichterungen bei ihren Schuldenzahlungen gewährt werden. Die im Pariser Club zusammengeschlossenen Gläubigerstaaten setzten gestern die Zahlungsverpflichtungen für drei Jahre aus. In dieser Zeit sollen beide Länder die IWF-Auflagen erfüllen. Dann könnte Nicaragua bis zu 80, Honduras 67 Prozent seiner Schulden erlassen bekommen.

Ein Schuldenerlaß für die von „Mitch“ gebeutelten Länder, das hört sich einleuchtend an. So wie das Unwetter ganze Landstriche in Honduras und Nicaragua ausradierte, so sollen jetzt die Industrienationen die roten Zahlen dieser Länder einfach löschen.

Kubas Staatschef Fidel Castro ging mit leuchtendem Beispiel voran. Die Rückzahlung der Kredite, die er einst den linken Sandinisten gab, sei nunmehr hinfällig, gab er großzügig bekannt. Nebenbei demütigte er mit dieser Geste den heutigen Präsidenten Alemán, einen rabiaten Antikommunisten.

Auf konservativer Seite tat es ihm Jacques Chirac nach. Nur die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zeigte sich zögerlich – und bekam für ihre unentschlossene Haltung Schelte von Soli-Gruppen. Doch die Ministerin hat recht, wenn sie ein bißchen länger überlegt, bevor sie Schulden streicht. Denn ein pauschaler Erlaß hilft den Falschen.

Nicaragua ist mit gut vier Milliarden US-Dollar verschuldet, Honduras mit sechs. Diese Schuldenlast dient heute dazu, neoliberale Wirtschaftsprogramme durchzusetzen. Umschuldungen und Neukredite werden nur genehmigt, wenn sich die Regierungen verpflichten, den ohnehin kaum handlungsfähigen Staat noch schlanker zu machen.

Die Unfähigkeit von Honduras und Nicaragua, auf eine Katastrophe wie „Mitch“ zu reagieren, ist teils diesem Sparzwang anzurechnen. Nicaragua verfügte gerade noch über vier Hubschrauber, um die von Fluten eingeschlossene Bevölkerung zu evakuieren. Der Staat von Honduras hat keine einzige Baumaschine mehr, mit der verschüttete Straßen freigeräumt werden könnten. Allein der Schuldendienst verschlingt in beiden Ländern rund ein Drittel des Staatshaushalts.

Mit diesem Geld ließe sich manches aufbauen. Doch so einfach ist das nicht. In beiden Ländern regieren Neoliberale. Und beide schmieden Aufbaupläne, mit denen die Katastrophe zur Chance für ihre Klientel umgebogen werden soll. Der honduranische Präsident Carlos Roberto Flores setzt vor allem auf industriell betriebene Landwirtschaft und Freihandelszonen für Maquiladora-Schwitzbuden. Und Nicaraguas Präsident Alemán, selbst ein Cafetalero, will die „Mitch“-Opfer am liebsten zur Kaffee-Ernte schicken und dann vergessen.

Mit so einer Politik wird die nächste Katastrophe vorbereitet. Werden Monokulturen ausgebaut, sind die Länder nur noch anfälliger für Naturkatastrophen. Und Billigstlöhne führen unweigerlich noch tiefer in die soziale Katastrophe. Die Industrienationen sollten diesen Weg nicht auch noch durch einen Schuldenerlaß unterstützen.

Spätestens seit der Asienkrise ist es selbst bei IWF und Weltbank nicht mehr tabu, nachzudenken, ob man dem ungezügelten Markt nicht besser ein paar Grenzen setzt. Gleiches könnte auch für den Schuldenerlaß für die „Mitch“-geschädigten Länder gelten. Warum denkt man also nicht über so etwas wie Aufbau-Swaps nach? Die Industrienationen könnten sich verpflichten, Schuldtitel von Honduras und Nicaragua zum derzeitigen Niedrigstpreis aufzukaufen und zu vernichten – unter der Bedingung, daß der Gegenwert in den Aufbau der Katastrophengebiete fließt.

Nicht in irgendeinen Aufbau jedoch, sondern in einen, der genau dort ansetzt, wo es in Mittelamerika schon vor dem Wirbelsturm katastrophal aussah. Im Bildungs- und Gesundheitswesen oder im Anbau von Grundnahrungsmitteln. Und in einer Wirtschaftspolitik, die nicht nur den Welt-, sondern auch den Binnenmarkt im Auge behält.

Am grundsätzlichen Verhältnis zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern würden Aufbau-Swaps gewiß nichts ändern. Doch es wäre schon viel erreicht, wenn wenigstens ein Teil der notwendigen Aufbauhilfe bei denen ankommt, die mit „Mitch“ mehr verloren haben als bloß ein paar Zahlen auf ihrem Konto. Toni Keppeler