Freie und Pleitestadt Hamburg

Steigende Pensionslasten und horrende Kreditzinsen: Die Bürgerschaft genehmigt ab heute Hamburgs katastrophale Finanzlage  ■ Von Florian Marten

Ab heute machen Hamburgs ParlamentarierInnen drei Tage lang von ihrem vornehmsten Recht Gebrauch: Mit der Verabschiedung des Stadthaushaltes 1999 nutzen sie ihr wichtigstes Machtmittel zur Regierungskontrolle – die Finanzhoheit. Der rot-grüne Senat braucht sich vor dieser Kontrolle jedoch nicht zu fürchten. Im Gegenteil: Noch nie waren sich die Regierungsfraktionen so einig, noch nie passierte das Zahlenwerk des Senats derart unverändert die mehrmonatigen Sitzungen des Haushaltsausschusses.

Auch im Hamburger 18,51 Milliarden-Mark-Haushalt 1999 setzt die Hansestadt eine rigide Sparpolitik fort, die den Staatsanteil jedes Jahr spürbar verringert. So schreitet auch 1999 die städtische Arbeitsplatzvernichtung mit dem Abbau von rund 1200 Stellen fort. Die Zuschüsse zum öffentlichen Nahverkehr sinken, die Sozialhilfeausgaben bleiben stabil, obwohl die Fallzahlen steigen, das Niveau öffentlicher Leistungen sinkt stetig – was nicht zuletzt der öffentliche Streit um die miserable Situation an Hamburgs Schulen zeigt.

Konsequent wie nur wenige deutsche Städte und wie kaum ein anderes Bundesland hat Hamburg seine Haushaltssanierung angepackt: Um knapp 1,8 Milliarden Mark, also fast 10 Prozent, wird der Stadthaushalt 1999 durch die Sparanstrengungen seit 1994 entlastet. Dieser Kraftakt hat die Stadtfinanzen allerdings längst noch nicht ins Lot gebracht. Mit 1,2 Milliarden Mark klafft auch 1999 eine gewaltige Lücke im Betriebshaushalt, die nach der deutschen Finanzverfassung nicht durch Kreditaufnahme geschlossen werden darf.

Die Stadt bedient sich deshalb wieder eines Tricks: Hauptsächlich durch den Verkauf städtischer Gebäude an die städtische Sprinkenhof AG und die extra gegründete stadtstaatliche Immobilienholding „Kommanditgesellschaft Verwaltung Hamburgischer Gebäude“ (VHG) sollen 1,4 Milliarden Mark in die Stadtkasse fließen. Dieses Geld leihen sich VHG und Sprinkenhof bei den Banken: Versteckte Kredite, die zumindest der Intention der Verfassung widersprechen.

Da die Investitionen von 1,7 Milliarden Mark sowieso vollständig – wie gesetzlich erlaubt – durch neue Kredite bezahlt werden, steigt Hamburgs offiziell im Haushalt ausgewiesener Schuldenstand 1999 auf 32,7 Milliarden Mark – 19.134 je EinwohnerIn. Zusammen mit den durch die Stadt verbürgten Krediten in den sogenannten Schattenhaushalten in öffentlichen Sondervermögen und Unternehmen (allein 6 Milliarden bei der Wohnungsbaukreditanstalt) dürfte die Gesamtschuldensumme 45 Milliarden Mark bereits übersteigen. Mittlerweile zahlt die Stadt pro Jahr mehr Zinsen an die Banken (2,3 Millarden Mark) als sie für 180.000 Sozialhilfeempfänger und Asylbewerber ausgibt – nämlich nur 2,2 Milliarden Mark.

Dennoch zeichnet sich am Horizont ein erster kleiner Silberstreif: 2001 könnte der Betriebshaushalt erstmals wieder mit einem Überschuß abschließen. Der Anstieg des Schuldengebirges, das sich bis dahin nach der derzeitigen Finanzplanung auf 36 Milliarden Mark aufgetürmt haben wird, könnte sich dann zumindest verlangsamen.

Allerdings tickt mit den immer höheren Pensionslasten im Hamburger Haushalt eine gefährliche Zeitbombe. Von den 6,3 Milliarden Mark Personalausgaben pro Jahr gehen mittlerweile schon mehr als 25 Prozent an Rentner und Pensionäre – mit steigender Tendenz.