In der Business class zu den Taliban

■ Investoren bereisen Afghanistan und schließen erste Abkommen mit den Taliban. Siemens und Hoechst sollen Interesse gezeigt haben. Siemens dementiert vehement Beteiligung

Berlin (taz) – Afghanistan wird trotz der Menschenrechtsverletzungen des Taliban-Regimes zunehmend interessant für Investoren. Daran ändert auch der Rückzug des US-Ölkonzerns Unocal aus einem umstrittenen Pipeline- Großprojekt nichts.

Seit einer Woche erkunden südafrikanische Ingenieure im Auftrag eines internationalen Konsortiums in den Bergen Afghanistans eine Kupferlagerstätte, möglicherweise die größte der Welt. Wissenschaftler schätzen das Vorkommen in Ainak, 35 Kilometer südlich von Kabul in der Provinz Logar, auf zwei bis elf Milliarden Tonnen Erz. Ausgebeutet werden konnte die Lagerstätte bisher nicht, weil das Gebiet sehr schwer zugänglich ist und es keinerlei Infrastruktur gibt. Logar war eine Hochburg des Mudschaheddin- Führers Gulbuddin Hekmatjar, der bestens bezahlt wurde von CIA und Saudi-Arabien.

Inzwischen hat sich die Situation grundlegend geändert. Logar, im Herrschaftsbereich der Taliban gelegen, ist sicher. So flog im November eine Delegation potentieller Investoren ein: Briten, Amerikaner, Südafrikaner, Franzosen, Pakistaner und Deutsche, wie verschiedene Nachrichtenagenturen übereinstimmend meldeten. Daß das Taliban-Regime nur von Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten voll diplomatisch anerkannt wird, schreckt anscheinend die wenigsten ab.

Um wen es sich bei den deutschen Beteiligten handelt, ist bis heute unklar. Die Taliban halten sich diesbezüglich zurück. Allerdings bestätigte ihr Vertreter in der Bundesrepublik, Nek Muhammad Nekmal, Siemens und Hoechst hätten ihm gegenüber Interesse an einem Afghanistan-Engagement gezeigt. Auch die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hatte eine Siemens-Beteiligung an der Gruppe gemeldet. Am Sonntag nannte der Londoner Observer sogar einen Namen: Der Konzern sei durch einen Pakistaner namens Parvez Iftiqar bei der Reise repräsentiert worden. Doch das Unternehmen dementierte gegenüber der taz strikt: Nein, man sei nicht beteiligt gewesen und man habe auch keinerlei Aktivitäten in Afghanistan vor. Ähnlich äußerte sich eine Tochter der Barclays Bank gegenüber dem Observer. Man sei „absolut nicht“ in Afghanistan involviert, einer ihrer Manager habe sich lediglich „auf Urlaub“ und ganz „privat“ in Afghanistan aufgehalten. Der afghanische Vizeminister für Minen und Industrie wies den englischen Reportern stolz die Visitenkarte des Barclays-Mannes vor.

Die Investoren hatten mit den Taliban-Ministern für Bergbau und Industrie sowie für Telekommunikation konferiert und vier Provinzen bereist. Der Besuch endete mit der Unterzeichnung eines „Memorandum of Understanding“ und der Bildung des Konsortiums „Afghanistan Development Co.“ zur Entwicklung der Ainak- Mine. Auch die Wiedereröffnung einer Erdgasraffinerie und einer Zementfabrik wurden anvisiert.

Taliban-Sprecher Maulawi Wakil Ahmad Mutawakil nannte die Vereinbarung hoch zufrieden eine „großartige und unerwartete Entwicklung“ und pries Afghanistans „großes Investitionspotential“. Nicht ohne weiteren Erfolg: Eine griechische Firma will demnächst bei Herat nach Erdöl suchen.

Vor allem wünschen sich die Taliban ein neues Telefonsystem. Der britische Geschäftsmann Stuart Bentham bestätigte, daß daran bereits gearbeitet werde. Die beteiligten Firmen hätten die Taliban dazu gebracht, eine Klausel über gleiche Anstellungschancen für Frauen in den Vertrag aufzunehmen.

Bentham lobte in einem Interview der Voice of America die Gastfreundschaft der Taliban und begründete die Reise mit der Schlüsselposition Afghanistans für das früher sowjetische Mittelasien sowie mit der Notwendigkeit des Wiederaufbaus. Auf die Frauenrechtsverletzungen seiner Gastgeber angesprochen, erwiderte er: „Wir sind Geschäftsleute und nicht Politiker, jedoch können wir nur in einer Umgebung arbeiten oder investieren, wenn sie für die internationale und besonders die Bank-Gemeinschaft akzeptabel ist.“

Der Unocal-Rückzug aus Afghanistan resultierte übrigens aus dem enormen Druck, den Frauenorganisationen auf Washington und das Unternehmen selbst machten. Thomas Ruttig