Riezendes Lohn-Dumping

Arbeitsbehörde und Beschäftigungsträger HAB wollen Billig-ABM-Tarife einführen. Bürgermeister Runde verschwieg das  ■ Von Florian Marten

Voraussichtlich noch vor Weihnachten werden die ÖTV, der kommunale Arbeitgeberverband Hamburg (AVH) und der städtische Beschäftigungsträger Hamburger Arbeit (HAB) Gespräche über einen Dumping-ABM-Tarif für arbeitslose Jugendliche unter 25 aufnehmen. Nach Informationen der taz hamburg wollen Uwe Riez, Amtsleiter in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), und HAB-Geschäftsführer Detlef Scheele (beide SPD) einen ABM-Tarifvertrag durchsetzen, der mit einem Monatsbrutto von 1.500 Mark unter dem bisherigen Hamburger ABM-Tarifvertrag liegt.

Dabei hatte das Bundesarbeitsministerium am 7. Dezember die volle Bezahlung von 2.800 Mark brutto durch die Bundesanstalt für Arbeit versprochen. Als Amtsleiter Uwe Riez am selben Tag diese gute Nachricht bei einem Arbeitstreffen in Nürnberg aus erster Hand erfährt, will er seinen Ohren nicht trauen und fragt vorsichtshalber nach.

Dabei, so notierte er am 8. Dezember in einem Ergebnisprotokoll, das der taz hamburg vorliegt, „wurde bestätigt, daß die Qualifizierungs-ABM tatsächlich Entlohnung für die gesamte Maßnahme vorsieht.“ Verärgert vermerkt Riez: „Das ist eine kontraproduktive Lösung, und sie weicht von unserer Absicht ab, einen Jugendlichentarif zu schaffen.“ Riez hofft auf Umkehr: „Ich habe als Anregung unseren Text ,Jugend in Arbeit und Ausbildung' dort gelassen.“

Die offizielle Begründung der HAB für den Einstieg in eine neue Niedrigstlohngruppe ist die besondere Zielgruppe dieses Tarifvertrags: Detlef Scheele will schon 1999 für 700 Jungerwachsene ein ABM-Programm mit Qualifizierungsanteilen anbieten. Der Anteil der berufsbegleitenden Qualifizierung soll jedoch nicht entlohnt werden. Schon in der rot-grünen Hamburger Koalitionsvereinbarung, die Scheele zum Teil mitformuliert hat, wird deshalb von der Möglichkeit „besonderer Lohngruppen für jungerwachsene Beschäftigte“ gesprochen, die „spezifische Beschäftigungsverhältnisse mit Qualifizierungsanteilen“ ermöglichen sollen.

Die Hamburger ÖTV, die Dumping-Tarifen prinzipiell skeptisch gegenübersteht, hat sich, so räumt ÖTV-Verhandlungsführer Wolfgang Rose ein, mittlerweile auf das problematische Spiel eingelassen. Sie hat bereits eine vorläufige Tarifkommission gebildet. Ein erster Entwurf des Programms „Jugend in Arbeit und Ausbildung“, welches ein Hamburger Beschäftigungsgipfel am 15. Januar abgesegnen soll, sieht denn auch eine sogenannte „ABM-Teilzeitbeschäftigung“ für Jugendliche vor.

Am Freitag erst hatte Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) die „Initiative für Jugend und Ausbildung“ vorgestellt. Mit 39,4 Millionen Mark aus dem „Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit“ des Bundes würden in Hamburg 2000 neue Angebote geschaffen werden, versprach er (taz berichtete). Daß die 700 Stellen bei der HAB nach Dumping-Tarif entlohnt würden, erwähnte Runde nicht.

Oder wußte er es nicht?