Suharto sitzt auf seinem Reichtum

Dem Ex-Diktator gehören Wälder, Minen und Konzerne. Ein Staatsanwalt versucht zu klären, wie sich Suharto am Volk bereichert hat – ob er verfolgt wird, ist fraglich  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – „Wir dürfen uns nicht mit den kleinen Fischen abgeben, wenn wir wirklich Schluß mit der Korruption in unserem Land machen wollen!“ rief der indonesische Ex-Finanzminister Mar'ie Muhammad kürzlich bei einem Vortrag in Jakarta. „Wir müssen den größten Fisch zuerst braten!“ Seine ZuhörerInnen – Geschäftsleute, Akademiker, Politiker – klatschten begeistert.

Niemand zweifelt daran, wer der größte Fisch in den aufgewühlten Gewässern Indonesiens ist: Ex- Präsident Suharto. Die Habgier und Skrupellosigkeit seiner Familie sind legendär. Ihr Vermögen wird auch nach den Verlusten durch die schwere Wirtschaftskrise heute noch auf vier bis zwanzig Milliarden Dollar geschätzt. Doch ob der alte Ex-Diktator jemals vor Gericht gestellt wird ist ebenso unklar wie die Frage, ob die Suharto- Nachfolger den Reichtum zurückholen können.

Dafür müßten seine Kritiker wissen, in welchen Firmen und Konten im In- und Ausland er sein Geld geparkt hat. Suharto konnte es sich leisten, viele Anwälte zu beschäftigen, die „sein Vermögen verstecken“, sagt der als unkorrupt geltende Ex-Finanzminister Mar'ie. Zudem dürfte es schwer werden, Suharto überhaupt illegale Aktivitäten bei seinen Geschäften nachzuweisen. In den 32 Jahren seiner Herrschaft hat sich Suharto – mit Hilfe eines willfährigen Parlaments – die Gesetze so zurechtgeschustert, wie es ihm paßte. Er erließ außerdem laut International Herald Tribune mindestens 57 Dekrete und Vorschriften, die gezielt Firmen seiner Kinder, Enkel und Freunde begünstigten.

„Die traurige Wahrheit ist“, fürchtet der amerikanische Indonesien-Experte Jeffrey Winters, „daß die Suhartos juristisch gesehen möglicherweise recht haben, wenn sie ihre Unschuld beteuern“.

Ein Beispiel für die Schwierigkeiten, das Geld von Diktatoren wieder einzusammeln, sind die seit zwölf Jahren vergeblichen Versuche der philippinischen Regierung, an die Milliarden der Marcos-Familie zu kommen. Die muntere Witwe des 1986 geflüchteten Diktators ist gerade vom Vorwurf der Korruption freigesprochen worden. Imelda Marcos lebt in Manila in Saus und Braus und behauptet, ihr Mann habe in zwanzig Jahren Amtszeit 4.000 Tonnen Gold legal angehäuft. Von den im Ausland vermuteten Milliarden haben die Schweizer Banken erst gut 500 Millionen Dollar zurücküberwiesen. Sie verlangten vorher den Beweis, daß das Geld kriminell erworben worden sei.

Dennoch glaubt der indonesische Menschenrechtsanwalt Adnan Nasution, daß die bisher bekannten Fälle von Amtsmißbrauch und Korruption der Suhartos ausreichten, um einen Prozeß vorzubereiten. Seitdem der 77jährige Präsident im Mai zum Rücktritt gezwungen wurde, erfahren die Indonesier täglich Neues über den Reichtum des Clans. Dessen Tentakel hatten alles zusammengerafft: Grundbesitz, Lizenzmonopole, Firmen, Beteiligungen. Gegen Suhartos Sohn Hutomo Mandala Putra („Tommy“) ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Sein Vater hatte ihm das Projekt des Nationalautos „Timor“ übertragen und ihm gleichzeitig großzügige Steuerprivilegien gewährt. Dieses Geschenk kostete die Bürger 1,5 Milliarden Dollar, wie Generalstaatsanwalt Andi Muhammad Ghalib errechnete. Damit nicht genug: Momentan schuldet Tommy dem Fiskus umgerechnet 400 Millionen Mark. Die Steuerbehörde drohte gestern, die Timor- Fabrik zu beschlagnahmen und zu versteigern, wenn Tommy seine Schulden nicht bald bezahlt.

Mindestens 280 Hektar Land gehören Suharto und seinen sechs Kindern allein in der Hauptstadt Jakarta, fanden Ermittler heraus. Die Suhartos und ihre engsten Geschäftsfreunde besitzen zudem auf Borneo und Irian Jaya Wälder, die so groß sind wie die Fläche Belgiens. Aus dem staatlichen Fonds für die Wiederaufforstung flossen in den vergangenen Jahren Millionen Dollar unter anderem an den Suharto-Freund und Golfpartner Bob Hasan, Chef des größten indonesischen Holzkonzerns. Makaber: Die Firmen nutzten das Geld, um große Regenwaldgebiete kahlzuschlagen und dort profitable Öl- Palmen-Plantagen anzulegen.

Bis vor wenigen Wochen hatte Suharto noch ungehinderten Zugriff auf die sieben großen karitativen Stiftungen mit einem Vermögen von 530 Millionen Dollar. Aus diesen Fonds floß allerdings mehr Geld an Firmen Suhartos und seiner Freunde als an Witwen und Waisen, berichtete Generalstaatsanwalt Ghalib. Das mag jene Indonesier verbittern, die der Ex-Präsident per Dekret gezwungen hatte, jeden Monat für diese Stiftungen zu spenden. „Juristisch gesehen waren diese Aktivitäten nicht illegal“, sagt Ghalib. Denn ein Gesetz, das die Aktivitäten von Stiftungen regelte, gab es nicht.

Das größte Hindernis, Suharto vor Gericht zu bringen, sind in den Augen vieler Indonesier die Ermittler selbst: Regierungschef B. J. Habibie, der größte Teil seines Kabinetts und Chefermittler Ghalib waren einst eng mit dem alten Diktator verbunden – oft auch geschäftlich. In mehreren der rund 80 Habibie-Firmen und Beteiligungen sind auch Suharto-Kinder vertreten. Auch Wirtschaftsminister Ginandjar Kartasasmita kam kürzlich ins Gerede. Die US-Bergbaufirma Freeport habe 1991 seinen engen Freund günstig am Geschäft beteiligt, berichtete das Asian Wall Street Journal. Damals war Ginandjar Bergbauminister, und Freeport – Betreiberin der größten Kupfermine der Welt in der Provinz Irian Jaya – erhielt Schürfrechte für weitere 50 Jahre.

Staatsanwalt Ghalib, wegen seiner Zögerlichkeit im Volksmund „das Hühnchen“ genannt, verärgerte die Opposition mit einer bemerkenswerten Erklärung: Als Suharto vor ein paar Wochen im Fernsehen behauptete, „keinen einzigen Pfennig auf ausländischen Konten zu haben“, erklärte der Ermittler: „Suharto ist ein ehemaliger Präsident, deshalb würde er niemals lügen.“