Fürchtet euch nicht vor Oskar und Otto

■ Wie der angeblich gefährlichste Mann Europas und sein strammer Kollege, der Innenminister, sich um ein weihnachtlich-flauschiges Image mühten

Bonn (taz) – Neuigkeiten vom rot-grünen Reformprojekt: „Um 10 Uhr 45 besuchten Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine und Bundesinnenminister Otto Schily den gemeinsamen Kindergarten ihrer Ministerien in der Graurheindorfer Straße in Bonn“, kündigten die Presseagenturen gestern an. Nach strengen Kriterien ist das eigentlich keine Nachricht. Hat aber trotzdem etwas: Die Kindergartenkinder sind allesamt Sprößlinge von Beamten aus den Ministerien Schilys und Lafontaines. Jetzt wissen die Kleinen, wie die Männer aussehen, über die ihre Eltern seit bald zwei Monaten beim Abendessen schimpfen.

Die Erzieherinnen strahlten vor Rührung, als Kinder und Minister gemeinsam „aus voller Brust“ (Associated Press) Weihnachtslieder sangen, nur unterbrochen von einer schrillen Frauenstimme, die ab und an „Wechseln“ rief. Dann winkte eine Pressesprecherin ein neues Kamerateam und eine Handvoll Fotografen in die weihnachtlich geschmückten Räume, die zu eng waren, um alle Medienvertreter gleichzeitig fassen zu können.

Auch sonst war es eine ungewöhnliche Weihnachtsfeier. Minister bleiben nämlich auch in besinnlichen Stunden Minister. Aus Angst vor Spott erschienen Schily und Lafontaine leider nicht im Nikolaus-Kostüm. Damit die Fotos aber etwas weihnachtlich wirken, trugen alle Kinder rote Mützen mit weißen Bommeln. Obwohl es doch eigentlich sie waren, die beschenkt wurden.

„Fürchtet euch nicht!“ sagte ein Engel den Hirten auf dem Felde, dereinst vor Betlehem. Es war allerdings nicht die frohe Botschaft der Weihnachtsgeschichte nach Lukas, die gestern aus diesem Kindergarten im Bonner Norden in die Welt dringen sollte. Fürchtet euch nicht!, sollten Fotos und Fernsehbilder verkünden: Eure Minister mögen Kinder und sind also gute Menschen. Dies ist ja auch eine frohe Botschaft und, denkt man an Lafontaines und Schilys Hardliner-Image, fast doch eine Neuigkeit. In der Regierung sind die beiden sonst für andere Botschaften zuständig, aber an Weihnachten will niemand etwas von Steuererhöhung und Abschiebung wissen, sondern von Liedern, Bommelmützen und Kindern.

Die begriffen die Situation übrigens sofort und lächelten nicht mehr die Minister, sondern die Kameras an. Im Chor riefen sie „Oskar Lafontaine“, als nach dessen Name gefragt wurde. Der SPD- Parteivorsitzende ist spontanem Jubel gegenüber stets skeptisch und fragte: „Wer hat euch das denn eingeübt?“ Eher launig als besinnlich ging es weiter, ein Junge pustete „Onkel Otto“ ganz putzig den Pony hoch, und ein Kleiner sagte sogar ins Mikro: „Ich fand den Waigel besser.“

Heute werden die Ministerialbeamten ihre Regierungszeitung aufschlagen, ihren Kindern und ihren Ministern dieses Foto in der Zeitung zeigen, und alle werden sich freuen. Und vielleicht machen sie auch noch eine richtige Weihnachtsfeier. Robin Alexander