„Einfache Aktivistin“

Nach Verleumdung, Repression und Folter ist die türkische Journalistin Yelda Gast der Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte  ■ Von Heike Dierbach

Ihren Nachnamen hört sie nicht nur ungern – sie möchte überhaupt nicht, daß er genannt wird. Aus feministischen Gründen lehnt es die 37jährige ab, den Namen ihres Vaters oder Ex-Mannes zu tragen. Selbst ihre Bücher hat sie schlicht unter ihrem Vornamen veröffentlicht: Yelda. Die schöne Altbauwohnung, in der sie mit Tee und Konfekt empfängt, sieht aus, als wäre es immer schon ihre, als führe sie hier das angenehme Leben einer gutverdienenden Links-Intellektuellen. Doch für Yelda ist der Ort erst seit einer Woche Zuflucht vor der Lebensgefahr, aufgrund derer sie ihr Land – die Türkei – verlassen mußte: Die Journalistin ist Gast der Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte.

Wenn die 37jährige jetzt ihre Wohnungstür aufschließt, kann sie das zum ersten Mal seit langem wieder ohne die Angst tun, damit eine Bombe zu zünden. „Und ich kann selbst erfahren, wie es ist, einer Minderheit anzugehören“, lacht sie, „in der Türkei gehöre ich als Türkin und Muslimin ja zur herrschenden Gruppe.“ Dennoch galt den Rechten der religiösen und ethnischen Minderheiten dort stets ihr besonderes Engagement – für das sie jetzt fliehen mußte.

Schon auf dem Gymnasium politisiert sie sich, zieht mit 17 mit FreundInnen zusammen. Nach dem Abitur studiert sie Journalismus. Noch während des Studiums heiratet sie, bekommt einen Sohn und engagiert sich in der Frauenbewegung. Seit 1988 arbeitet Yelda für zahlreiche linke Zeitungen und Wochenmagazine. 1989 läßt sie sich scheiden. Ihre politischen Funktionen faßt sie äußerst bescheiden zusammen, dabei organisiert sie Anti-Gewalt-Kampagnen und unterstützt die „Samstags-Mütter“, aber, wie sie betont „nur als einfache Aktivistin“.

Wie oft sie verhaftet wurde, kann sie nicht mehr zählen. Meist kam sie nach ein paar Tagen wieder frei. Zweimal aber ist die Journalistin auch gefoltert worden. Wie frau das durchsteht? Yelda zögert mit der Antwort. „Ich will nicht angeben, daß ich besonders tapfer sei. Ich wußte, was mich erwartet.“ Nach der Folter setzt sie durch, daß einer Gefängnisärztin vorgestellt zu werden, um sich die blauen Flecke und geplatzten Trommelfelle attestieren zu lassen. Ein beteiligter Polizist wird zu drei Monaten Gefängnis verurteilt – die er nicht absitzen muß. Über seine Revision ist noch nicht entschieden worden.

Ende Mai veröffentlicht die Tageszeitung Türkiye einen Artikel, in dem ihr die Aussage unterstellt wird, die armenische Minderheit habe das Recht, an die Türkei territoriale Ansprüche zu stellen. Yelda traut sich in Istanbul nicht mehr auf die Straße. „Um zu politischen Treffen zu kommen, ließ ich mich von meinem Freund abholen“, berichtet sie und lacht: „und das als Feministin!“

Sie erwartet, daß die Staatsanwaltschaft aufgrund des Artikels Ermittlungen aufnimmt. Als nichts passiert, „habe ich wirklich Angst bekommen, daß sie mich einfach verschwinden lassen wollen“. Da kommt die Einladung aus Hamburg, doch Yelda zögert, sie anzunehmen, aus Angst, es könnte ein langes Exil daraus werden.

Doch in der Türkei wird die Luft für sie immer dünner. Keine Zeitung – auch keine linke – will ihr Dementi drucken. Ohnehin hatte sie sich bei ihnen unbeliebt gemacht, als sie in ihrem in diesem Jahr erschienenen zweiten Buch die türkischen Intellektuellen des Rassismus ' beschuldigte. Im Mai verlor sie deswegen sogar ihre Arbeit. „Die türkische Linke nimmt zwar gerade noch die kurdische Minderheit wahr“, analysiert Yelda, „aber andere spielen gar keine Rolle“. Der Rassismus habe insgesamt zugenommen nach der Verhaftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan: „Schon, wer dazu nur schweigt, macht sich verdächtig.“ Schließlich packt sie ihre Koffer und verabschiedet sich von Sohn und Freund in Istanbul, um nach Hamburg zu kommen.

Sie will hier Deutsch lernen, an einem Buch über die türkisch-griechischen Beziehungen arbeiten und sich erholen. Ein Jahr kann sie in Hamburg als Gast der Stiftung für Politisch Verfolgte bleiben. „Ich will aber in den nächsten großen Ferien schon zurück zu meinem Sohn“, betont sie und holt ein Bild von ihm aus dem Regal. Hamburg kannte Yelda von Besuchen, „aber damals habe ich mich merkwürdigerweise nicht so fremd gefühlt wie jetzt“.