„Signal gegen die Wegwerfgesellschaft“

■ Das Europaparlament stimmt heute über eine längere Garantiefrist für Gebrauchsgüter ab

Hiltrud Breyer ist Europaabgeordnete der Grünen-Fraktion

taz: Ich habe letzte Woche einen Wasserkocher gekauft. Wenn es nach Ihnen ginge, müßte der Hersteller darauf fünf Jahre Garantie geben. Warum?

Hiltrud Breyer: Es ist doch immer dasselbe: Immer wenn ein Gerät kaputt geht, ist die Garantie schon abgelaufen. Eine Reparatur ist oft teurer als Wegschmeißen, also wird ein neues gekauft. Allein 40 Millionen Unterhaltungselektronikgeräte, vor allem Fernseher, werden in Deutschland jedes Jahr auf den Müll geworfen. Bei der Gewinnung von Rohstoffen und der Herstellung eines Gerätes fällt im Schnitt bereits das 25fache seines Gewichts an Abraum und Müll – zum Teil Sondermüll – an. Das beste Mittel gegen die Müllberge ist eine Verlängerung der Garantiezeit. Dies zwingt die Hersteller, langlebigere Produkte herzustellen, und setzt ein Signal gegen die Wegwerfgesellschaft.

Bisher gilt in Deutschland ein halbes Jahr gesetzlich vorgeschriebene Garantiezeit. Sind fünf Jahre nicht ein wenig lang?

Nein. Ein halbes Jahr ist im europäischen Vergleich sehr kurz: In Irland, England und Finnland sind sogar sechs Jahre Frist vorgeschrieben. Die EU-Kommission sieht in ihrem Entwurf nun immerhin zwei Jahre vor – mit einer Öffnungsklausel nach oben.

Heute will das EU-Parlament endgültig über den Kommissionsentwurf entscheiden. Er sieht im Garantiefall zunächst gleichberechtigt Reparatur oder Ersatz vor. Würden nicht die meisten Kunden gleich ein neues Produkt haben wollen?

Ja, nach den Umfragen zu urteilen, wollen das 80 Prozent der Kunden, sehr zum Schaden der Umwelt. Auf Druck des Europaparlaments ist nun aber eine Klausel im Text, die diese Einseitigkeit verhindert: Ersatz soll es nur geben, wenn dies nicht unverhältnismäßig gegenüber der Reparatur ist: Ein kleiner Fleck auf dem frischverlegten Teppich rechtfertigt noch nicht, daß der Händler einen komplett neuen verlegen muß. Ein Wermutstropfen der jetzigen Fassung ist allerdings, daß ausschließlich der Einzelhandel in die Pflicht genommen werden kann und nicht die Hersteller. Das könnte einige Einzelhändler im Extremfall in den Ruin treiben.

Europäische Industrievertreter rechnen vor, daß Elektrogeräte mit der neuen Richtlinie um fünf Prozent teurer würden. Auch die deutsche Industrie ist dagegen.

Wenn die Geräte dafür viel länger halten, wäre ein etwas höherer Preis doch kein Problem. Die Konkurrenz würde endlich die Hersteller langlebiger Geräte belohnen. Wird in der Werbung nicht immer die hohe Qualität „made in Germany“ beschworen?

An Waschmaschinen und Geschirrspülern kleben bereits EU- weit genormte Aufkleber, die Energie- und Wasserverbrauch angeben. Ist so etwas auch für die Lebensdauer geplant?

Bislang nicht, aber das wäre in der Tat sinnvoll. In Griechenland enthalten die Betriebsanleitungen schon heute Angaben über die Lebenserwartung. Dies ermöglicht es den Kunden, Politik mit dem Einkaufskorb zu machen und damit ihren stärksten Trumpf für die Umwelt auszuspielen. Interview: Matthias Urbach