Nazis gegen das ZDF

■ Wie ZDF-Frau von Welser und RTL-Mann Müller-Gerbes mit großen Worten ihre Jura-Shows gegen die Klage eines Rechtsanwalts verteidigen

Sie schmunzelt. Nein, Herta Däubler-Gmelin grinst sogar wie das berühmte Honigkuchenpferdchen über Geert Müller-Gerbes, den Knuddelopa von RTL. Dessen Empörung über das „Nazigesetz“ aus dem Prätelevisionikum kommt so liebenswürdig rüber, daß die Bundesjustizministerin, die da ganz anderer Ansicht ist, nur spöttisch zu blicken braucht.

Nun hatte Maria von Welser den RTL-Kollegen am Mittwoch aber nicht in ihre ZDF-Sendung „Mit mir nicht!“ eingeladen, weil er so knuddelig ist, sondern weil die beiden einen gemeinsamen Feind haben: das Rechtsberatungsgesetz. Beziehungsweise den Oberhausener Anwalt Paul-Michael Harhoff. Der geht mittels des Gesetzes gegen Rechtsberatungssendungen im Fernsehen vor – die machten den Job der Anwälte. Nicht nur ZDF und RTL haben Ärger mit Harhoff, auch der Bayerische Rundfunk und der MDR.

Müller-Gerbes, dem Moderator der kabarettistischen Gerechtigkeitsshow „Wie bitte?!“ flatterte im Frühjahr 1997 eine Unterlassungsklage des Anwalts ins Studio. Damals hatte Müller-Gerbes den RTL-„Mahnman“ zu einem Möbelhaus geschickt, das einem erzürnten Kunden dreimal die falsche Tür geliefert hatte. Und Mahnman machte Dampf.

„Nur Anwälte dürfen beraten, nicht das TV“

Harhoff sah darin einen Verstoß gegen Artikel 1, Paragraph 1 des Rechtsberatungsgesetzes, das unter anderem besagt: „Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung..., darf geschäftsmäßig ... nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist.“ Nur Anwälte dürfen beraten, nicht Fernsehsender, sagt Haarhoff.

Seit dem Urteil im August könne Müller-Gerbes' Redaktion nicht mehr richtig recherchieren, klagt RTL-Sprecher Frank Rendes. RTL hat jetzt Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Im Windschatten von RTL geht jetzt auch Maria von Welser auf die Barrikaden, die Jeanne d'Arc des ZDF, die seit zwei Jahren bei „Mit mir nicht!“ für die stimm- und wehrlosen Opfer wildgewordener Bürokratie kämpft. Vor drei Wochen schickte Anwalt Harhoff dem ZDF eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Von Welsers Team habe sich in mehreren Fällen „konkret individueller Rechtsangelegenheiten bestimmter Personen“ angenommen und damit verstoßen gegen s.o. Nun ist Frau von Welser nicht blöd und hat im Gegensatz zu ihren Kollegen die Unterlassungserklärung einfach nicht unterschrieben.

„Einschränkung der Pressefreiheit“

Bevor es zu weiteren Schritten kommen konnte, macht sie vielmehr das einzig Sinnvolle, nämlich Stimmung in den Medien, damit „das Gesetz im besten Fall abgeschafft wird“. „Mit mir nicht!“, heißt schließlich ihre Show.

Da haben sich die Sender nun vor ein paar Jahren so ein schönes Format geschaffen, um sich als Rächer der entrechteten Konsumenten und Amtsbenutzer darzustellen und für sie und uns alle die Welt wieder ins Lot zu bringen. Und nun kommen die Anwälte und sagen, daß die TV-Stationen keine Heilsinstanzen sind, sondern schlicht Konkurrenten.

„Einschränkung der Pressefreiheit“, halten die Sendervertreter dagegen. Wenn Harhoff recht bekäme, könnten sie kaum mehr über Rechtsfälle berichten, ereiferten sich von Welser und Müller- Gerbes, als von Welser ihre Show am Mittwoch zum Tribunal in eigener Sache machte. Harhoff wollte sich der taz gegenüber am Telefon zwar nicht zu „einem laufenden Verfahren“ äußern. Doch nicht die ganzen Beratungssendungen, nur die Darstellung von Einzelfällen griff der Anwalt in seinen Schriftsätzen und Ausführungen an. Man sei nur dagegen, wenn die Medien konkret für einen Zuschauer gegen einen Miethai oder andere Ungeheuer kämpfen, so wie es auch Michael Streck, Präsident des Anwaltvereins, an Harhoffs Statt in Welsers Sendung forderte. Diese hehre Aufgabe sollen die Sender schön den Anwälten überlassen. Doch gerade die Darstellung des geknechteten Einzelbürgers macht den Reiz dieses Fernsehformats aus – juristische Talkshows brauchen den Human touch.

Und immer wieder kapriziert sich der Kampf gegen das Rechtsberatungsgesetz auf den Begriff Nazi- Gesetz. Schließlich ist es von 1935 und diente dazu, jüdischen Anwälten Berufsverbot zu erteilen. Der nationalsozialistische Background des Gesetzes sei offenkundig – heute damit zu argumentieren, sei aber „der falsche Dampfer“, da es längst „seines faschistischen Ursprungs entkleidet“ sei, befindet der unbeteiligte Michael Kleine- Cosack, Spezialist für Anwaltsrecht, gegenüber der taz. Heute diene es zum einen Anwälten gegen Konkurrenz von Nichtjuristen. Zum anderen sei es ein Verbraucherschutzgesetz. Und demnächst dürfte es sowieso abgeschafft werden: wegen der Harmonisierung in Europa. Ania Mauruschat