■ Pro: Die militärischen Angriffe gegen den Irak sind konsequent
: Das Ziel heißt: Stürzt Saddam!

Bill Clinton hatte drei Möglichkeiten. Er hätte alles beim alten belassen können: die Sanktionen aufrechterhalten und immer wieder Waffeninspektionen durchsetzen, notfalls mit Gewalt. Die zweite Option lautet: Die USA revidieren ihre Irakpolitik komplett, heben also das UN-Embargo auf und lassen die Wiedereingliederung des Regimes um Saddam Hussein in die internationale Gemeinschaft zu. Und die dritte Möglichkeit ist es, den Diktator zu stürzen.

Über neun Jahre nach dem irakischen Überfall auf Kuwait war die erste Option die schlechteste. Das Embargo, das eigentlich Saddam Hussein in die Knie zwingen sollte, hat Zehntausende Menschenleben gekostet – zumeist unbeteiligte Zivilisten. Saddam Hussein läßt sich derweil neue Luxuspaläste bauen. Die Inspektionen der UN-Spezialisten wurden zum Katz-und-Maus-Spiel mit dem deutlichen Ziel der irakischen Führung, möglichst viel von ihren Rüstungsprogrammen zu verheimlichen und zerstörte Waffenarsenale heimlich wiederaufzustocken.

Mittelbar schadeten die Inspektionen auch der irakischen Bevölkerung. Denn die Arbeit der Unscom-Inspekteure wurde aus dem zwischen der irakischen Führung und der UNO ausgehandelten Programm „Öl für Lebensmittel“ finanziert. Jener Teil des Erlöses vom Verkauf irakischen Öls, den die Unscom kostet, kann nicht für den Kauf von Lebensmitteln und Medizin verwendet werden.

Option Nummer zwei wäre dem Eingeständnis des völligen Scheiterns der bisherigen Irakpolitik der USA gleichgekommen. Das mag ehrlich sein – für die irakische Bevölkerung hätte es jedoch fatale Folgen. Denn die Lehre daraus würde lauten, daß ein skrupelloser Diktator nur einen langen Atem haben muß, um von der Weltgemeinschaft akzeptiert zu werden. Bestärkt hätte Saddam Hussein seine Waffenkammern neu bestückt und seine Gegner grausam verfolgt wie bisher – wohl wissend, daß es keine glaubwürdigen Sanktionsmöglichkeiten gibt.

Option Nummer drei ist die riskanteste und konsequenteste zugleich. Clintons Avancen an die irakische Opposition in seiner Erklärung zum Beginn des Angriffs sprechen dafür, daß er sich für die Absetzung Saddam Husseins entschieden hat. Ob als direktes Ziel des Angriffs oder als mittelfristige Folge, bleibt abzuwarten.

Clinton setzt damit fort, was sein Vorgänger George Bush im Frühjahr 1991 begann, aber nicht zu Ende brachte. Im Anschluß an das Bombardement der Alliierten hatte er über Radio die irakische Bevölkerung zum Sturz Saddam Husseins aufgerufen – und die ließ sich das nicht zweimal sagen. Erst Schiiten im Süden und dann Kurden im Norden erhoben sich gegen den Diktator und lieferten damit den Gegenbeweis zu der Behauptung, die IrakerInnen stünden hinter Saddam Hussein wie einst die Deutschen unter Hitler.

Doch die US-Truppen ließen die Aufständischen im Kugelhagel von Saddam Husseins Elitetruppen stehen. Tausende Tote waren die Folge und eine Situation, die eigentlich nichts anderes ist als ein bis heute anhaltender schleichender Krieg, mit Opfern auf nur einer Seite. Den zu beenden, ohne Saddam Hussein davonkommen und die irakische Bevölkerung unter ihrem Diktator und seinen Sanktionen leiden zu lassen, wäre ein legitimes Ziel der jetzigen Attacke.

Bill Clinton dürfte sich im klaren sein, daß es danach keine Rückkehr zum Status quo geben kann. Die irakische Führung wird keine neuen Waffeninspektionen mehr akzeptieren. Und durch den Alleingang der USA und Großbritanniens sind auch die letzten Reste der einstigen Anti-Irak-Allianz zerschlagen. Neuen internationalen Druck auf Saddam Hussein zu erzeugen wird deshalb nach den Bombardements kaum noch möglich sein. Der einzige Ausweg heißt: Sturz des Diktators – auch wenn es einen hohen Preis kostet.

Thomas Dreger arbeitet im taz-Auslandsressort und ist zuständig für Nahost