Muschelragout für schleimige Typen

Das fängt schon in aller Herrgottsfrühe an. Bei Thomas Mann wird nicht einfach gefrühstückt. Hier wird „ein Stück feuchter Napfkuchen, Butterbrot, Honig, grüner Kräuterkäse, nicht zu vergessen ein heißes Ei, Krabben und Portwein“ verzehrt.

Auch mittags und abends läßt er üppige Köstlichkeiten auftragen: Bratwurst mit Pfeffernußsauce, Karpfen in aufgelöster Butter, Puter, gefüllt mit einem Brei aus Maronen, Rosinen und Äpfeln. Manche Speisen sind direkt auf die handelnen Personen zugekocht.

Bendix Grünlich, der die junge Antonie Buddenbrook heiratet, wird als schleimiger Typ geschildert. Also gibt es bei seinem Auftritt Muschelragout, Kalbsbraten mit Rahmkartoffeln, Marasquinopudding und Pumpernickel mit Roquefort – eine schleimig-glibbrige Arie.

In vielen Romanen Thomas Manns wird opulent gegessen, werden die Speisen detailliert und umständlich geschildert. Exzessiv wird das kulinarische Thema im Zauberberg behandelt. Hier wird eigentlich ständig gegessen.

Und getrunken. Leider gibt es da keine genauen Untersuchungen. Aber die Verkaufszahlen des kühlen, dunklen, schaumigen Kulmbacher-Bieres müssen nach Erscheinen des so anregenden Sanatoriumromans in die Höhe geschnellt sein. Auf das Liebesleben des unbedeutenden Helden Hans Castorp hatte es jedenfalls nur die besten Auswirkungen. (Clawdia Chauchat!)

Anders als in den „Buddenbrooks“ richtet sich im Epos der europäischen Dekadenz das Erzählinteresse weniger auf zelebrierte Festessen als auf „das täglich wiederkehrende immergleiche Ritual der fünf übergewaltigen Mahlzeiten“, so Felix Höpfner in seinem Büchlein „Taube und Franzbrot – das Lübecker Hauskochbuch der Familie Mann“.

Höpfner hat die Rezepte des über Generationen weitervererbten Kochbuchs der Familie Mann veröffentlicht, eingeleitet mit einer Analyse über den Kulinariker Thomas Mann.

Höpfner sieht die appetitlichen Gelage nicht nur als Symbol von Wohlleben und bürgerlicher Kultiviertheit: „Die äußerlich kunstvoll arrangierten Eßszenen verbergen innerliche Defekte, die Opulenz so mancher Mahlzeit steht in merkwürdigem Gegensatz zur vitalen Verfassung der speisenden Personen.“

Neben Höpfner haben weitere Autoren das Thema Essen bei Thomas Mann und den Seinen untersucht: Isolde Richter: Die Küche der Buddenbrooks, Selbstverlag I. Richter, Forsthube 4, 91054 Buchenhof, 16,80 Mark; Felix Höpfner: Taube und Franzbrot, Universitätsverlag C. Winter; Alexej Bashakov: Speisen mit Thomas Mann, Verlag Dräger Druck Lübeck; Gräfin Schönfeldt: Bei Thomas Mann zu Tisch, Arche- Verlag Hamburg. Restbestände dieses Buches (78 Mark) hält die Lübecker Buchhandlung Weiland vorrätig: Fon (0451) 16006-0 (Frau Schütt). manfredo/vw