piwik no script img

Stille Nacht, schrille Nacht

■ Aus dem Heiligen Abend wird in Hamburg immer mehr ein Party-Event

Die Discotheken in Hamburg haben am Heiligabend Hochkonjunktur. Immer mehr junge Menschen tauschen den liebevoll geschmückten Christbaum daheim gegen die glitzernde Discokugel. Für viele Hamburger ist der Heiligabend Anlaß für das Party-Event des Jahres. Nur noch wenige Hamburger Clubs, Discos oder Theater verzichten auf ein Weihnachts-Special.

Hamburgs Szene-Disco Traxx plant ab sofort ein alljährliches Christmas-Happening und eröffnet mit dem „Stage Club Special“ (21.00 Uhr). Vor dem Eingang wird ein Gospel-Chor die Gäste begrüßen. Kleinkünstler, Schauspieler und Tänzer der Stage School treten in der feierlich dekorierten Disco auf, Black Music dröhnt aus den Boxen. „An diesem Abend erscheinen alle in Abendgarderobe, es ist die lauteste und tollste Party des Jahres. Der Weihnachtsabend macht inzwischen sogar der Silvesternacht Konkurrenz“, erzählt der Hamburger Partyveranstalter Sören Bauer.

Freddy Braun, Geschäftsführer der Disco „Voilà“, kann den Trend bestätigen: „Wir veranstalten seit 15 Jahren Weihnachtsparties. Die Nachfrage hat in den letzten zwei bis drei Jahren rapide zugenommen. Alleine im letzten Jahr konnten wir 1000 frierende Gäste nicht reinlassen.“ Dabei faßt das „Voilà“ immerhin 1500 Feierwütige, die dann feingemacht zur Techno- und House-Musik die Hüften wiegen (ab 22 Uhr). „Die meisten wollen nach dem obligatorischen Familienabend einfach nur Party machen. Aber natürlich kommen auch einsame Leute, die dann in der Disco Kontakt suchen“, meint Braun.

Auch im „Mojo Club“ kann man seit mehreren Jahren den Festspeck wegtanzen. Diesmal heißt das X-Mas-Special „Listening Pleasure by Beats & Pressure“ (ab 23 Uhr). Verschiedene DJs und Live-Musiker, die sich unter dem Namen „Fat Back Sound“ zusammengeschlossen haben, präsentieren einen sogenannten „Operator“, der mit verschiedenen Effektgeräten Sound und Lieder komplett verändert. Elektronische Weihnachten also, die vor allem fette Bässe als Grundlage haben.

Ob mit Computer-Musik, in funkelnder Kitsch-Dekoration oder im schicken Smoking – die Hauptsache bleibt das hemmungslose Feiern. Der Anlaß ist eigentlich austauschbar. Ein Theaterstück auf Kampnagel bringt dies Heiligabend auf den Punkt. In „Shoppen & Ficken“ (22.30 Uhr) geht es um die „Raving Society“, die rastlose Generation, die aufgebrochen ist, um die unendlichen Weiten der Lust zu erkunden: Party, Musik, Exzesse bestimmen ihr Leben. Mark Ravenhills Stück handelt von drei jungen Leuten der sogenannten Spaßgesellschaft, die nach dem Leben im Grenzenlosen zur Bruchlandung ansetzen.

Für die Aufführung von „Shoppen & Ficken“ verzichten auch die Schauspieler auf den besinnlichen Weihnachtsabend. „Die Künstler freuen sich, gerade am Weihnachtsabend ein Stück zu zeigen, das den ausufernden Konsum thematisiert“, sagt Kampnagel-Sprecherin Maiken Hagemeister.

Amelie Stephan

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen