Das Quotennetz hat viele Löcher

EU-Ministerrat legt die jährlichen Fangmengen von Kabeljau, Thunfisch, Hering und Sprotten fest. Die werden wohl kaum eingehalten, argwöhnen Umweltschützer  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Nach 17 Stunden war die Schlacht um Seelachs, Makrele und Schellfisch geschlagen, und die EU-Fischereiminister sanken erschöpft ins Bett. Wie jedes Jahr im Dezember hatten sie die Gesamtfangmengen für Fische in der EU festgelegt. „Es gab das übliche Tauziehen, vor allem um die Mengen in den westlichen Gebieten“, berichtet Norbert Kleeschulte, der im Bonner Landwirtschaftsministerium für Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände zuständig ist. Hier seien ein paar Quoten herauf-, dort ein paar heruntergesetzt worden.

Schlecht für die Sprotte: Obwohl Wissenschaftler dringend von einer Erhöhung der Fangmenge in der Nordsee abgeraten hatten, sollen im nächsten Jahr 175.000 statt der bisherigen 150.000 Tonnen an Land gezogen werden. Auch bei Seezunge und Hering führten mehrere Fischereiminister die Arbeitsplätze in ihren Ländern an – zum Nachteil der Fische. Am Montag hat der deutsche Fischerei-Verband einen Termin im Landwirtschaftsministerium – dann werden die deutschen Quoten auf die einzelnen Schiffe verteilt. „Alles Planwirtschaft“, moniert Verbandsgeschäftsführer Lothar Fischer.

Doch Umweltschützer bezweifeln, daß die in den vergangenen Jahren zurückgegangenen Quoten eingehalten werden. Nach einer Studie der Umweltschutzorganisation WWF ist die EU-Fischereiflotte 2,5mal so groß, wie es der Fischbestand erlaubt. „Schwarzanlandungen sind deshalb sehr wahrscheinlich“, sagt WWF-Fischereifachmann Christian von Dorrien. Allein in Großbritannien werden nach seinen Informationen 40 bis 60 Prozent der Fische an den Kontrolleuren vorbei an Land gebracht. Auch in Spanien soll viel mehr angelandet werden als vereinbart. Deutschland, das mit 15 Groß- und 2.000 Kleinschiffen in der Fischerei zu den kleinen Fischen zählt, wendet immerhin 25 Millionen Mark im Jahr auf, um zu überprüfen, wie groß die Maschen in den Netzen sind, wieviel Beifang über Bord gekippt und ob die Schonzeit eingehalten wird.

Auch aus einem anderen Grund hält von Dorrien das Gezerre um die Fangmengen für eine Farce: „Die Datengrundlage über Fischbestände basiert vorwiegend auf Angaben der kommerziellen Fischerei.“ Und immer wieder erklären Wissenschaftler, sie könnten keine gesicherten Angaben über die Bestände machen.

50 Prozent der Fische, die in Töpfen und Pfannen von EU-Bürgern landen, werden zudem importiert. Etwa 1.000 EU-Schiffe sind weltweit unterwegs. Sie fahren bis nach Angola, Madagaskar und zu den Seychellen. Mit über einem Dutzend afrikanischer, karibischer und pazifischer Länder hat die EU bilaterale Verträge geschlossen, um in den dortigen Hoheitsgewässern insbesondere den spanischen Fischern ein neues Tätigkeitsfeld zu eröffnen. Dabei wurden keine Höchstmengen festgelegt.

Zudem weiß man wenig über die dortigen Fischbestände. Es ist jedoch anzunehmen, daß die Ernährung der einheimischen Bevölkerung darunter leidet. In mehreren Vertragsstaaten wie zum Beispiel Angola oder Senegal leiden Menschen an Unterernährung. Greenpeace schätzt, daß weltweit nur 45 Millionen Tonnen Fisch auf den Tellern landen, während 80 Millionen Tonnen entweder als Beifang wieder ins Meer gekippt oder zu Fischmehl verarbeitet werden.