: Die üblichen Einzelfälle
Auch der neue Bundesinnenminister Schily (SPD) will den Brandopfern der Lübecker Hafenstraße kein pauschales Bleiberecht geben ■ Von Elke Spanner
Rund drei Jahre nach dem Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße scheint sich die Hoffnung auf ein pauschales Bleiberecht für alle Überlebenden endgültig zerschlagen zu haben. Die Stadt Lübeck und das Innenministerium von Schleswig-Holstein hatten die vergangenen Monate auf einen Regierungswechsel in Bonn, seither auf ein politisches Signal des neuen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) gehofft. Dessen Sprecher Roger Kiel sagte jetzt jedoch gegenüber der taz, es würden „einzelfallbezogene Gespräche“ geführt – und nicht etwa über die pauschale Anerkennung aller Überlebenden aus humanitären Gründen verhandelt.
Daß in Bonn nun die Ausländerakten der einzelnen Flüchtlinge gelesen werden, erklärt Kiel damit, daß „die Situation der ehemaligen Bewohner doch sehr unterschiedlich ist“. Ausgeblendet wird damit jedoch die Gemeinsamkeit der Flüchtlinge: Sie alle haben nur knapp den verheerenden Brandanschlag in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1996 überlebt. Zehn Menschen starben in den Flammen oder beim Versuch, sich daraus zu retten. Viele der 38 Überlebenden wurden schwer verletzt, etliche trugen bleibende Schäden davon. Der Zairer Jean-Daniel Makudila hat durch den Brand seine Frau und seine fünf Kinder verloren.
Das Ausländergesetz sieht ein sogenanntes Gruppenbleiberecht „aus humanitären Gründen“ vor. Der ehemalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) weigerte sich jedoch über Jahre, das auf die Lübecker Brandopfer anzuwenden. Denn dann, so tönte er, werde ein Präzedenzfall geschaffen, der Flüchtlinge geradezu ermutige, ihr Haus anzuzünden, um in Deutschland bleiben zu können.
Kaum hatte die Bundesregierung im Herbst gewechselt, legte der Innenminister von Schleswig-Holstein, Ekkehard Wienholtz (SPD), die Akten in Bonn vor. „Das Ziel ist ein dauerhaftes Bleiberecht für die Betroffenen“, betont Wienholtz' Sprecherin Veronika Dicke. Daß Bonn bereits einen Rück-Schritt weiter ist, ahnt man in Schleswig-Holstein noch nicht. Auch Matthias Erz, Sprecher der Stadt Lübeck, ist noch guter Hoffnung. Er spekuliert darauf, „daß sich Anfang des Jahres was tut“: „Wir halten an einem pauschalen Bleiberecht für alle Überlebenden fest.“ Noch gehe er davon aus, daß das „funktioniert“. Die Frage, was mit den ehemaligen BewohnerInnen der Hafenstraße geschieht, für die Bonn ein Bleiberecht ablehnt, die „wagen wir nicht zu stellen“.
Daß man die angekündigte Einzelfallprüfung keinesfalls für den großen Fortschritt halten muß, weil es nicht mehr ist als das übliche ausländerrechtliche Verfahren, verwundert Roger Kiel zutiefst: „Die neue Bundesregierung ist immerhin mal in Gespräche eingetreten, nachdem jahrelang nichts passiert ist“, lobt er anerkennend. „Nun sollte man erst mal abwarten.“
Seit dem Brand vor nunmehr drei Jahren haben die 38 Überlebenden stets nur befristete Duldungen für maximal ein halbes Jahr bekommen.
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