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Die Weltbeste bleibt Kolumnistin

Mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit verjüngen Dänemark und Norwegen ihre Teams und sind am Ende der Frauenhandball-EM doch Maß aller Dinge  ■ Aus Amsterdam Ralf Mittmann

Ekke Hoffmann nickte mit dem Kopf und gab sich somit selbst Zustimmung, noch bevor er den Satz überhaupt gesagt hatte. „Das muß man klar sehen“, erklärte der Bundestrainer der deutschen Handballerinnen, „die Skandinavier sind im Frauenhandball das Maß aller Dinge.“ Als Hoffmann dies kundtat, waren die Halbfinals bei der EM in Holland noch nicht gespielt und zwei österreichische Journalisten gerade dabei, ihren bei einem heimischen Wettbüro gemachten Gewinn wieder zu verspielen.

Die Ergebnisse der Vorrunde hatten sie noch relativ exakt vorhergesagt, also auch den Höhenflug von Team Austria, der trotz einer Auftaktniederlage gegen Deutschland Platz eins in Gruppe A gebracht hatte. Mit ihrem Halbfinaltip lagen sie meilenweit daneben. Die Herrschaften setzten, rot- weiß-rot das Herz und der Verstand, auf einen österreichischen Erfolg gegen Dänemark, und das war's dann: rien ne va plus.

35:24 siegten die flinken jungen Däninnen. Und weil im zweiten Halbfinale flinke junge Norwegerinnen hilflosen ungarischen Handballerinnen eine fürchterliche 28:14-Abreibung verpaßten, lag der deutsche Bundestrainer am Samstag abend als Handball-Prophet glänzend im Rennen.

Ganz so verwegen war Hoffmanns Einschätzung freilich nicht, denn Dänemark und Norwegen sind schon seit längerer Zeit die dominierenden Verbände im Frauenhandball. Was aber trotzdem immer wieder erstaunt, ist die Leichtigkeit, mit der in Skandinavien die Teams umstrukturiert werden. Da hören Weltklassespielerinnen auf, Nachwuchskräfte kommen nach – und Klasse und Dominanz bleiben nahezu gleich.

Eine Frage des Stellenwerts der Sportart? „Absolut“, sagt Hoffmann, der bei dieser Thematik immer in Gefahr gerät, einen kleinen Monolog anzustimmen. Frauenhandball komme in den skandinavischen Ländern gleich nach dem Fußball, „und zwar vor dem Männerhandball“. Ziemlich ernst verweist er dann auf einen Punkt, der vermutlich entscheidenden Anteil an der skandinavischen Dominanz im Frauenhandball hat.

„Bei denen“, sagt der Bundestrainer, „gehen die besten Trainer zu den Frauen. Bei uns muß der, der übrigbleibt, den weiblichen Nachwuchs übernehmen.“ Hoffmann beweist in solchen Augenblicken eine ehrliche Distanz zum eigenen Job, wenngleich er sich keineswegs als Übriggebliebenen sieht. Frauenhandball ist für den Lehrer aus dem schwäbischen Bad Urach-Sirchingen im Geschlechtervergleich „wirklich der schönere Handball“. Etwas mehr Beachtung hätte er folglich auch verdient. Eine Folge der Verhältnisse: Während Dänemarks Juniorinnen – wie die „Großen“ 1997 in Deutschland – zuletzt den Weltmeistertitel holten und für die nächstes Jahr anstehende WM erneut Favorit sind, ist ein deutsches Team nicht am Start. Weil in der Qualifikation für die Juniorinnen- Europameisterschaft nur der letzte Platz in der Gruppe belegt worden war, hatte der DHB erst gar nicht für die WM-Qualifikation gemeldet.

Kleines Dänemark, kleines Norwegen, großes Deutschland – nicht so im Frauenhandball. Die Deutschen verloren das Spiel um Platz 5 gegen Polen 23:26, qualifizierten sich einerseits für die WM, bestätigten aber andererseits ihren Abwärtstrend. Während Ekke Hoffmann nicht recht wußte, wie er Absenzen (z.B. Jurack, Osiakowska, Fiedel, Polchow) kompensieren sollte, und er deshalb die 36jährige Silvia Schmitt zu einem erneuten Comeback überredete, reisten die skandinavischen Teams reihenweise mit Handballerinnen an, die nicht älter als 23 waren.

Bei Norwegen waren es deren sieben, bei Dänemark gar deren zehn. Die dänische Delegation erlaubte sich sogar den Luxus, eine Position vakant zu lassen für eine Nachmeldung. Es wurde heftig spekuliert, die nach der WM aus dem Nationalteam zurückgetretene weltbeste Handballerin Anja Andersen werde noch dazustoßen. Und nach ein paar Tagen kam die Meldung dann auch: Dänemark nominiert Andersen nach. Es handelte sich dabei allerdings um die 20jährige Marlene Andersen, und sie war nach Camilla und Kristina die dritte Andersen im Team.

Anja blieb, was sie war: Kolumnistin für Zeitungen und Co-Kommentatorin fürs Fernsehen.

Wohl denen, die haben.

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