„Die psychische Belastung ist zu groß“

Der Miterfinder und Produzent der Abtreibungspille RU 486 will auch in Deutschland die Zulassung des Medikaments beantragen. Die katholische Kirche läuft dagegen Sturm, auch CDU-Frauen wehren sich  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Eigentlich ist es ein unspektakulärer Vorgang. Ein Arzneimittel, in Frankreich, Großbritannien und Schweden bereits auf dem Markt, soll nach Deutschland kommen. Europäische Verordnungen regeln das Zulassungsverfahren. Es wäre lediglich eine Sache der Bürokraten, hieße das Mittel nicht „RU 486“ beziehungsweise „Mifegyne“. Bei der Abtreibungspille schlagen die Emotionen hohe Wogen.

Edouard Sakiz, (Mit-)Erfinder und Produzent des Medikaments in Frankreich, hat vergangene Woche angekündigt, er werde auch für Deutschland die Zulassung beantragen. Gegen dieses Ansinnen laufen vor allem Vertreter der katholischen Kirche Sturm. Nun melden auch Frauen aus der CDU ihre Bedenken an. Die Diskussion um die Pille werde verharmlost, sagte Hannelore Rösch gestern zur taz. Die frauenpolitische Expertin der CDU fordert, das Mittel vorerst nicht in Deutschland zuzulassen. Die Frau schlucke die Pille und müsse drei Tage abwarten, bevor der Abort eingeleitet werden könne. „In dieser Zeit ist die Frau komplett alleine gelassen“, sagte Rönsch. „Die psychische Belastung ist zu groß, um damit fertig zu werden.“

Rönsch fordert, daß die betroffenen Frauen eine psychologische Beratung während dieser Tage erhalten. Rösch fürchtet, wenn die Frau langsam spüre, wie das Mittel in ihrem Körper wirke, könne sie unsicher werden, ob sie den Abort wirklich wolle. Falls ähnliche Zweifel bei einer ambulanten Behandlung auftreten, könne sie den Arzt während des Eingriffs bitten, den Abort nicht auszuführen. „Bei RU 486 handelt es sich nicht um ein schonendes Mittel. Dies zu behaupten ist gedankenlos“, sagte Rönsch. Die rot-grüne Koalition forderte sie auf, vor der Zulassung mit Vertretern aller Parteien und der Kirchen über ihre Bedenken zu reden.

Solche Gespräche lehnte Familienministerin Christine Bergmann (SPD) gestern strikt ab. Im InfoRadio Berlin sagte sie, man könne Frauen diese neue Methode nicht vorenthalten. Da das Mittel unter strenger ärztlicher Aufsicht eingenommen werde, könne auch nicht von einer Selbstmedikation die Rede sein. „Ich wüßte gar nicht, worüber wir reden sollten“, so Bergmann. Auch Dietrich Berg, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, befürwortet die Einführung von RU 486. Eine Abtreibung müsse körperlich so leicht wie möglich geschehen, sagte Berg.

Die katholischen Bischöfe halten das Mittel für eine „Verharmlosung der Abtreibung“ und kritisieren, daß sich Bundeskanzler Schröder in einem Brief an die Zeitschrift Emma zum Thema geäußert hat. Auf Anfrage der Zeitschrift hatte Schröder geantwortet, daß die Bundesregierung nach erfolgter Zulassung es begrüßen würde, wenn Frauen zwischen chirurgischen und medikamentösen Verfahren wählen könnten.

Emma führt momentan eine Kampagne für RU 486 und gegen Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne). Fischer weigert sich, dem Hersteller zu signalisieren, daß das Medikament ohne Schwierigkeiten in Deutschland auf den Markt kommen kann. Als Fachministerin dürfe sie sich nicht politisch in ein Zulassungsverfahren einmischen, so Fischer.

Vor allem den Koalitionsquerulantinnen galt der zweiseitige Brief Schröders. Der Kanzler sah sich daher gemüßigt, seiner Kabinettskollegin den Rücken zu stärken.

Wann wird die Pille in Deutschland auf den Markt kommen? Am 15. Januar will Sakiz den Antrag auf Zulassung stellen. Da sie bereits für andere europäische Länder vorliegt, kann das hiesige Bundesinstitut für Arzneimittel sie nur zurückweisen, wenn „schwerwiegende Einwände“ bestehen. Diese können hinsichtlich der Wirksamkeit, der Sicherheit oder der Qualität des Mittels geltend gemacht werden. Innerhalb von 90 Tagen nach Einreichen der Unterlagen muß das Institut über die Zulassung entscheiden.