Kommentar
: Totes Kaninchen

■ Der letzte Trick des israelischen Ministerpräsidenten verfing nicht

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der große Gaukler, ist am Ende. Er ist ein weiterer Beweis für die Weisheit des berühmten Ausspruches von Lincoln: Man kann einige Menschen die ganze Zeit betrügen, man kann alle Menschen einige Zeit betrügen, aber man kann nicht alle Menschen die ganze Zeit betrügen. Genau dies hat Netanjahu versucht.

Er hat so oft sein Wort gebrochen, seine Versprechen nicht eingehalten, seine Freunde zu Feinden gemacht und seine Feinde verleumdet, daß ihm am Ende kein einziger Freund übriggeblieben ist. Außer Ariel Scharon – und wer Scharon als Freund hat, der braucht keine Feinde. Politisch gleicht Netanjahu den oft tödlichen Gummikugeln, mit denen die israelische Besatzungsarmee auf palästinensische Demonstranten schießt. Innen Stahl, außen Gummi. Der Kern Netanjahus ist extrem rechtsradikal, die Schale ist pragmatisch.

Einmal mehr hat er dies in der Wye- Konferenz bewiesen. Er flog dorthin, weil er mußte. Er wollte nichts unterschreiben, konnte sich aber nicht weigern. Er kam nach Hause mit dem festen Vorsatz, nichts zu erfüllen. Er kam nicht umhin, die erste Phase doch auszuführen und ein winziges Gebiet zurückzugeben, denn der US-Präsident war im Begriff zu kommen. Aber damit war sein Pragmatismus aufgebraucht. Und er stellte eine Liste von phantastischen Bedingungen auf, die Jassir Arafat vor einem weiteren Rückzug erfüllen soll.

Das Ergebnis ist, daß alle wütend sind. Die konsequenten Rechtsradikalen, auch in seiner eigenen Partei, nehmen es ihm übel, daß er überhaupt das Abkommen unterschrieben hat. Sie werfen ihm vor, daß er Clinton nach Gaza gebracht hat, wo dieser praktisch den palästinensischen „Staat im Werden“ anerkannt hat. Die Befürworter des Oslo-Abkommens glauben, daß der Friedensprozeß endgültig gestoppt ist. So kam es zustande, daß die Linke und die Rechte gemeinsame Sache machten, um ihn zu stürzen.

Im allerletzten Augenblick versuchte der Zauberer noch einmal, ein Kaninchen aus dem Hut zu ziehen. Kaum eine Stunde nachdem er die Arbeitspartei und ihren Führer auf das übelste beschimpft hat, schlug er ihnen eine Koalition der nationalen Einheit vor. In der zynischen Knesset löste das allgemeines Gelächter aus. Das letzte Kaninchen war tot. Uri Avnery

Publizist in Tel Aviv