Die Zeichen stehen auf Krieg

Im Kosovo stehen den OSZE-Beobachtern schwere Zeiten bevor. Der Chef der OSZE-Mission gibt beiden Konfliktparteien die Schuld am neuen Krieg  ■ Aus Priština Thomas Schmid

Die OSZE-Beobachter waren vor Ort, als in der Gegend von Podujevo im Norden des Kosovo serbische Streitkräfte am zweiten Weihnachtstag sechs Dörfer angriffen. Doch als sich ein Team norwegischer Beobachter an die Front begeben wollte, wurde es nach Aussagen von William Walker, dem Chef der OSZE-Mission, mit vorgehaltener Waffe zum Rückzug gezwungen. Den unbewaffneten Nordeuropäern blieb nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten.

Die Zeichen im Kosovo stehen auf Krieg. Auf die OSZE-Beobachter – bislang sind 600 eingetroffen, es sollen 2.000 werden – kommen schwere Zeiten zu. Schon bald dürfte sich die bisher ungeklärte Frage stellen, unter welchen konkreten Voraussetzungen denn die Nato-Truppen, die zum Schutz der OSZE-Beobachter im benachbarten Makedonien stationiert sind, eingreifen sollen.

Doch immer mehr zeichnet sich ab, daß nicht nur die serbischen Streitkräfte einer Lösung des Problems im Sinne des Westens im Wege stehen. Zwar hat der Nato- Oberkommandierende US-General Wesley Clark die Serben bezichtigt, mit ihrem massiven Einsatz von Panzern das Abkommen vom Oktober gebrochen zu haben. Doch William Walker verteilte die Schuld auf beide Seiten. In der Tat hat die UCK seit dem Waffenstillstand vom Oktober wieder viele Gebiete unter Kontrolle genommen, aus denen sie im Verlauf der serbischen Großoffensive im Sommer und Frühherbst vertrieben worden war. War die albanische Guerilla vor drei Monaten faktisch von der Bildfläche verschwunden, zeigen sich ihre Kämpfer in zahlreichen Dörfern nun wieder bewaffnet in aller Öffentlichkeit.

Möglicherweise ist die albanische Guerilla heute sogar militärisch besser gerüstet als vor einem halben Jahr. Vieles spricht dafür, daß spätestens, wenn der Schnee schmilzt, ein neuer Krieg ausbricht – vielleicht schon vorher. Die UCK kann jederzeit serbische Angriffe provozieren. Das Minimalprogramm ihrer Hardliner heißt Unabhängigkeit. Und die will der Westen nicht haben – aus Angst vor Anschlußgedanken der Albaner in Westmakedonien.

Auch der neue albanische Ministerpräsident Pandeli Majko macht sich Sorgen. An Weihnachten forderte er eine Nato-Intervention. Seine Stimme ist auf dem Parkett der internationalen Diplomatie nicht von Gewicht. Doch zeigt seine Stellungnahme, daß die Regierung in Albanien innenpolitisch stark unter dem Druck der Opposition steht. Die fordert mehr Solidarität mit den albanischen Brüdern. Dazu kommt noch der Druck der UCK, die im Norden Albaniens weitreichenden politischen Einfluß ausübt und vermutlich sogar ganze Landstriche kontrolliert.

Jugoslawiens Präsident Milošević wies aus Anlaß der Forderung des albanischen Ministerpräsidenten erneut darauf hin, daß bei jeder Intervention der Nato die jugoslawische Armee das Land unter Einsatz aller Kräfte verteidigen werde. In der Armee nahm er am Wochenende Umbesetzungen vor. Nachdem im November schon Armeechef Momcilo Perisić, der die Kosovo-Politik Belgrads kritisiert hatte, gefeuert wurde, wechselte Milošević nun fast zwei Dutzend Befehlshaber aus. Sieben Generäle wurden befördert, drei von ihnen aus dem Kriegsgebiet Kosovo.