: Wider den Teufelskreis
■ Beratungsstelle für Erwerbslose SPSH setzt auf sinnstiftende Aktivitäten
Fast eintausend Menschen haben 1998 bei der „Solidarischen Psychosozialen Hilfe“ (SPSH) Rat gesucht. Das seien zwölf Prozent mehr als im Vorjahr, bilanzierten gestern MitarbeiterInnen der Beratungsstelle für Erwerbslose und sozial Schwache im Schanzenviertel.
Gerade Langzeitarbeitslose, so Psychologin Renate Schumak, reagieren nicht selten mit Ohnmachtsgefühlen und Selbstzweifeln auf ihre Erwerbslosigkeit. Dadurch gerieten sie in einen Teufelskreis. Denn durch das geschwächte Selbstbewußtsein könnten sich ihre Chancen auf Wiedereingliederung in den Beruf zusätzlich verschlechtern. Um dem entgegenzusteuern, setzt die SPSH auf sinnstiftende Aktivitäten außerhalb der Erwerbsarbeit. Laut Schumak „bleibt die Zeit der Arbeitslosigkeit unwiederbringliche Lebenszeit, die gestaltet werden muß“.
Viele SozialhilfeempfängerInnen und Erwerbslose sähen sich dem Vorwurf ausgesetzt, sich auf Staatskosten ein schönes Leben zu machen. Die Psychologin fordert hingegen, daß die Zeit der Arbeitslosigkeit als gesellschaftliche Normalität anerkannt wird, die den persönlichen Selbstwert der Betroffenen nicht beschädigt. „Dies wird von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Gesellschaft sein“, sagt die SPSH-Psychologin.
Trotz steigender Nachfrage bangen die MitarbeiterInnen um die Zukunft der Beratungsstelle. Im vorigen Jahr hat die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) ihre Zuwendungen drastisch gekürzt. Seither ist das Projekt dringend auf Spenden angewiesen. Dabei basiert die Arbeit auf dem ehrenamtlichen Engagement von 15 MitarbeiterInnen – unter ihnen ebenso StudentInnen wie arbeitslose PsychologInnen und SozialarbeiterInnen. Für deren Qualifizierung wird durch regelmäßige Fortbildungen und Schulungen gesorgt.
Falls genügend Spenden zusammenkommen, wollen die SPSH-MitarbeiterInnen ein öffentlich zugängliches Internet-Café für Jobsuchende einrichten, die sich keine teuren Computer leisten können.
Diana Engel
SPSH, Bartelsstraße 30, 20357 Hamburg, Tel.: 4302270
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen