Die Hits und Nieten des Jahres

Außer Bonbons nichts gewesen, lautete die Bilanz einer Polizistin am Abend des 28. Mai. Lediglich ein paar angelutschte Süßigkeiten waren geworfen worden bei der größten Demonstration des Jahres in Hamburg – der am besten besuchten Protestveranstaltung, die die Hansestadt in Sachen Bildung je gesehen hat.

80.000 SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen zogen durch die Straßen – obwohl der vormittägliche Unterricht laut Stundenplan noch nicht beendet war und die Schulbehörde den LehrerInnen mit Disziplinarstrafen gedroht hatte, falls sie Stunden ausfallen ließen. Auf der Moorweide vor dem Dammtorbahnhof stieg eine Party, die den Rasen tagelang nicht mehr wie einen solchen aussehen ließ. Die OrganisatorInnen, ein frisch gegründetes Bündnis aus SchülerInnen-, Eltern- und Lehrerkammern sowie den beiden Pädagogen-Gewerkschaften GEW und DLV, waren rundum zufrieden.

Allerdings nur für einen Tag. Denn bewirkt hat die Demo wenig; das war schon am Morgen danach klar. Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD), gegen deren Konsolidierungspläne sich die Aktion richtete, ignorierte die 80.000 weitgehend. Eine „Änderung des Koalitionsvertrages zugunsten der Bildung“, wie sie Anna Ammonn, Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), gefordert hatte, wurde zwischen SPD und der mitregierenden GAL nicht diskutiert.

Schließlich, argumentierte die Behörde, hatte Raab ihre Sparvorhaben einen Tag vor der Aktion noch schnell abgeschwächt: Statt 120 LehrerInnenstellen zu kürzen, will sie nun verhaltener mit Sachmitteln umgehen und etwa bei Büchern die Preissteigerung nicht mehr berücksichtigen. Auf diese Weise möchte die Senatorin zehn Millionen Mark sparen. Außerdem werden an Haupt- und Realschulen die Teilungsstunden gekürzt, in denen LehrerInnen die Klasse in Gruppen getrennt nach Leistung unterrichten.

Was ein Entgegenkommen sein sollte, schürte lediglich neuen Protest. Weil „man jede einmalige Aktion leicht ignorieren kann“, organisierte die Hamburger SchülerInnenkammer Mitte Dezember einen Langzeit-Protest. 168 Stunden lang, sieben Tage und ebenso viele Nächte, liefen Gruppen von Jugendlichen zwischen der Schulbehörde und ihrer Zentrale, einem Bauwagen am Dammtor, hin und her, immer vorbei am Rathaus. Ob's etwas gebracht hat, ist noch unklar. Zumindest traf sich die Schulsenatorin mit den OrganisatorInnen zum Gespräch. Die haben bereits weitere „phantasievolle Aktionen“ angekündigt, falls ihre Forderungen nach mehr Geld für die Bildung kein Gehör finden. Judith Weber