■ Geheime Nachrichten in Pappröllchen über den Sinn des Universums
: Kleine Schweine an Zimmerdecken

In der Warteschlange der Feuerwerks-Verkaufsstelle: Soeben hat ein etwa 17jähriger ungerührt rund 100 Mark in mehrere Plastiktüten voller China-Böller D und Kanonenschläge investiert. Argwöhnisch schaue ich ihm nach – garantiert jagt er harmlose Radfahrer in die Luft.

Die Objekte meiner Begierde dagegen sehen aus wie leere Klopapierrollen mit Deckel und Zündschnürchen; das Design ist kreischig und geschmacklos. Warum ist es plötzlich so still im Laden? „Ähm... bitte drei Tischfeuerwerke“, murmele ich. Amüsiert hebt der Verkäufer den Blick. „Die mit ,Prosit Neujahr!‘-Aufdruck oder ,Erotischer Tischzauber‘?“ Fassungslos starren die anderen Kunden mich an. Auf den Papprollen des „Erotischen Tischzaubers“ prangen Dekos im Billig- Pornokino-Look. „Och, vielleicht ,Prosit Neujahr!‘“ nuschele ich. Dann zahle ich und eile nach Hause. Es ist mal wieder geschafft.

Verzückt schüttele ich die Rollen und lausche den verheißungsvoll darin herumkullernden Überraschungen. Tischfeuerwerke leiden unter einem schlechten Image. Unverdient, wie ich finde, sind sie doch die eigentlichen Könige der Pyrotechnik. Zugegebenermaßen sind die ästhetischen Effekte eines Tischfeuerwerks im Gegensatz zu denen von anmutig über den Nachthimmel rieselnden Gold- Fontänen praktisch gleich null. Dennoch üben sie eine magische Anziehungskraft auf mich aus.

Das Feuerzeug in meiner Hand zittert, als ich eins der guten Stücke direkt nach dem Kauf teste. Ein Tischfeuerwerk zu entzünden heißt, an einem Ereignis mit maximaler Symbolträchtigkeit teilzuhaben. Die Zündschnur britzelt, knispelt und faucht. Ein kurzer Moment der Stille, eine kaum auszuhaltende Spannung und – „Bang!“ Mit voller Wucht schießt eine Armada kleiner Überraschungen mitten in meine Wohnzimmerlampe. Schneegleich legt sich eine Schicht Konfetti bis in die letzte Zimmerecke. Kritisch prüfe ich den Rest der Ausbeute. Ein Mini- Kleeblatt, eine kleine Tröte, komische bunte Pappmaché-Kügelchen. Auch ein kleines Plastikschwein hat die hochmoderne Feuerwerkstechnik emporgeschleudert. Ich entspanne mich. Trotz des Brandflecks auf dem Tisch erfüllt mich ein diffuses Gefühl der Zufriedenheit.

Tischfeuerwerke sind aufregend. Sie machen eine Riesenshow daraus, ihr armseliges Inneres nach außen zu kehren. Einen Menschen mit vergleichbaren Eigenschaften würde niemand besonders interessant finden – einen eitlen Heini, der beißenden Geruch verbreitet und nur unbrauchbaren Kleinschrott von sich gibt. Machen Tischfeuerwerke solchen Spaß, weil wir glauben, der Knall könne ein einziges Mal etwas Brauchbares zutage fördern? Oder ist es ihr 70er-Jahre-Charme, der noch immer den Nerv der Endneunziger trifft? Meine Theorie ist eine andere: Wer eine Stunde lang ununterbrochen ein Tischfeuerwerk anstarrt, den beschleicht die Erkenntnis, daß die Stimmungs-Röllchen eine höhere Botschaft in sich tragen. Die Dinger sind wie geschaffen dafür, Übermittler paranormaler Mitteilungen zu sein. Das würde ihre visuellen und akustischen Defizite erklären, ihrem Dasein eine völlig neue Berechtigung geben. Leider habe ich noch nicht herausgefunden, wie ihnen die geheimen Nachrichten über den Sinn des Universums zu entlocken sind. Das herkömmliche In- die-Luft-Sprengen hat zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt und lediglich einmal einen Zettel mit der Aufschrift „Guten Rutsch!“ in den Kartoffelsalat befördert. Aber ich arbeite dran. Iris Krumrei