Straßenverbot für Scientology

Das Freiburger Verwaltungsgericht untersagt Scientology, auf offener Straße Bücher zu verkaufen. Die Sekte geht in Berufung – sie will mit den Büchern keinen Gewinn machen, sonder nur missionieren  ■ Aus Freiburg Christian Rath

Freiburgs Fußgängerzonen sind adrett und sauber. Und damit das Schlendern unbehindert möglich bleibt, hat die Stadt Freiburg der Scientology-Sekte verboten, auf offener Straße Bücher an Passanten zu verkaufen. Das Freiburger Verwaltungsgericht hat dieses Vorgehen nun für rechtmäßig erklärt. Doch die Sekte gibt nicht auf und geht in die nächste Instanz.

Für zwanzig Mark pro Exemplar versuchten Scientology-Mitglieder, das Buch „Dianetik“ ihres Sektengründers L. Ron Hubbard in Freiburgs Gassen zu verkaufen. Die Stadt verbot dies jedoch, weil hierfür eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich sei. Das wollte sich Scientology nicht gefallen lassen. „Wir verkaufen hier doch nicht irgendeinen Roman“, betonte Dietmar Hamer von der örtlichen Scientology-Gemeinde. Es gehe auch gar nicht so sehr um den Verkauf des Buches, der sei nur Anlaß für Gespräche mit interessierten Passanten. Letztlich wolle man ohne jede Gewinnabsicht missionieren und neue Mitglieder werben. Dies aber sei, so die Klage, ein typischer Gemeingebrauch des öffentlichen Raums.

Vor dem Freiburger Verwaltungsgericht hatte diese Argumentation jedoch keinen Erfolg. Missionieren dürfe Scientology durchaus, aber eben keine Bücher verkaufen, hieß es dieser Tage im Urteil (Az.: 4 K 2141/96). Denn wenn für ein Buch zwanzig Mark verlangt würden, so sei das eben eine „echte Gegenleistung“, wie sie auch im Buchhandel üblich sei.

Formell wird also nur um Straßenrecht gestritten. So betonte das Freiburger Ordnungsamt auch nach dem Urteil, daß man vor allem Angst vor Nachahmern habe. „Wenn Scientology in der Fußgängerzone verkaufen darf, dann könnten auch andere auf die Idee kommen, und dann ist bald kein reibungsloser Verkehr mehr möglich“, so Markus Geißler, stellvertretender Leiter der Behörde. Einen „Religionskrieg“ gegen Scientology habe man keineswegs im Sinn gehabt.

Allerdings macht das Ordungsamt dann doch Unterschiede zu den „etablierten Kirchen“: Auch wenn Scientology eine Genehmigung für den Bücherverkauf beantragt hätte, wäre diese verweigert worden. Die südbadische Metropole geht nämlich schon länger scharf gegen Scientology vor. So hatte die Stadt 1994 erreicht, daß Scientology in Freiburger Fußgängerzonen keine „kostenlosen Persönlichkeitstests“ mehr anbieten darf. Auch diese Tätigkeit war als „gewerblich“ gewertet worden. Letztlich wolle die Organisation nur sogenannte Auditing-Kurse bei der Basler Scientology-Schwester verkaufen, so die Argumentation der Stadt. Das damalige Urteil des Freiburger Verwaltungsgerichts war bundesweit wegweisend.

In der Folge wurde die mit rund 50 Mitgliedern relativ kleine Freiburger Scientology-„Mission“ von der Stadt sogar gezwungen, ein Gewerbe anzumelden. Auch hiergegen hatte Scientology geklagt, aber ebenfalls vor dem Freiburger Verwaltungsgericht verloren. Auf höherer Ebene ist der Streit um Gewerbe und Religion freilich noch nicht entschieden. So ist zum Beispiel immer noch offen, ob den Scientology-Gliederungen unter Verweis auf ihren „Geschäftsbetrieb“ der Vereinsstatus entzogen werden darf. Das Bundesverwaltungsgericht hat Ende 1997 eine neue Verhandlung in dieser Sache verlangt, ohne klare Vorgaben zu machen.

Im Streit um die Freiburger Fußgängerzonen setzt aber auch Scientology nicht alles auf die (unsichere) Karte mit der Religionsfreiheit. Im Gegenteil. Helmut Blöbaum, der Präsident von Scientology Deutschland, glaubt, daß seine Organisation schon bei korrekter Anwendung des baden- württembergischen Straßenrechts obsiegen müßte.

Blöbaum verweist auf mehrere Beschlüsse des auch für Freiburg zuständigen Oberlandesgerichts (OLG) in Karlsruhe. Dort wurden Bußgeldbescheide unter anderem der Stadt Mannheim aufgehoben, weil der Straßenverkauf von „Dianetik“-Büchern zum „kommunikativen Gemeingebrauch“ zähle. Auch der Handverkauf von Zeitungen sei schließlich erlaubnisfrei, so das OLG in seiner Begründung. Die Grenze sei erst erreicht, wenn Verkaufsstände oder ähnliches aufgebaut würden.

Doch das Verwaltungsgericht Freiburg ging auf die Rechtsprechung der Karlsruher Strafrichter mit keinem Wort ein – obwohl dort die gleiche Rechtsfrage zugrunde lag. Scientology will diese Divergenz nun in der nächsten Instanz, beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim, um so nachdrücklicher betonen.