Abwind für die Schmitt-Show

■ Der neue deutsche Sportheld Martin Schmitt fällt mit Platz 13 am Innsbrucker Berg Isel in der Gesamtwertung der Vierschanzen-Tournee hinter den japanischen Sieger Noriaki Kasai zurück

Der Held stand am Fuße des Berg Isel und schaute ein bißchen unglücklich. „Mein Gott“, sagte Martin Schmitt, „da kann man nichts machen.“ Der Japaner Noriaki Kasai hatte das dritte Springen der Vierschanzen-Tournee gewonnen (232,5 Punkte, 109,5 und 108,0 m ) – vor dem Finnen Janne Ahonen (226,1 Punkte) und dem Japaner Hideharu Miyahira (225,9). Schmitt lag mit 110,5 und 95,5 Metern und Gesamtnote 200,7 auf Platz 13 und verlor damit gestern die Führung in der Gesamtwertung der Tournee an Kasai und die des Weltcups an Ahonen.

Kann passieren. Bundestrainer Heß hatte Schmitt schon zwischen den Durchgängen mit den Worten beruhigt: „Du bist auch nur ein Mensch.“ Das schien allerdings zuletzt etwas in Vergessenheit zu geraten, nachdem Schmitt (20) innerhalb von wenigen Tagen mit seinen Siegen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen zu einem neuen deutschen Sporthelden avancierte, der zum Beispiel der Tageszeitung Bild einen Kommentar auf Seite 2 wert war. Seine in der Tat beeindruckende Nervenstärke ließ einen Experten wie den Olympiasieger Jens Weißflog davon schwelgen, Schmitt springe mit der Präzision eines „Computers“. Mit ihm als Einschalt-Zugpferd hatte die Schmitt-Show sehr gute Quoten und Marktanteile von 26,1 (ZDF) und 22,2 (ARD) Prozent geschafft und damit den Wert des Produkts enorm gesteigert, das ab 1. Januar 2.000 mit aus Formel 1 und Profiboxen bekannter Methodik RTL ausbauen will.

Eine boomende Industrie also. Und der Held stand mittendrin und sagte regelmäßig was wie „Wahnsinn“. Schmitt kommt aus Furtwangen im Schwarzwald. Das liegt auch nicht weiter hinter dem Mond als, sagen wir, Frankfurt (Oder) oder Kerpen. Der Unterschied ist nur: Im April will Schmitt nicht nach Monte Carlo ziehen, sondern wieder ganz normal in seiner WG in Freiburg leben und sein Wirtschaftsstudium fortsetzen.

Nun hat der Rechner eine Errormeldung hinnehmen müssen, die natürlich mit seinem Sturz in der Qualifikation tags zuvor und dem daraus resultierenden Hickhack zusammenhängen kann. Tut sie nicht, sagt DSV-Trainer Heß. Das ganze Team habe mit zu niedrigen Anlaufgeschwindigkeiten zu kämpfen, sowie insbesondere Schmitt damit, am relativ kurzen Schanzentisch den Absprung rechtzeitig zu finden. „Der Schwerpunkt lag nicht ganz vorn“, sah Heß am Bildschirm, und schon „ist die große Weite weg.“

Die österreichischen Anhänger jubelten über Schmitts Probleme, verstummten aber, als der nach dem ersten Durchgang führende Stephan Horngacher nach einer „Bombe“ (ÖSV-Direktor Toni Innauer) von 117,5 m im ersten Durchgang mit 97,5 m abstürzte. So war dies gestern der Tag der Japaner, die drei Springer unter den ersten vier hatten, weil, wie der Zehnte Dieter Thoma glaubt, „ihnen die Schanze enorm gut liegt“. Der blondierte Kasai ist kein Zufallssieger. Er war vor seinem Sieg zweimal dritter.

Was Schmitt betrifft, so hat er heuer zwar sechs Weltcup-Springen gewonnen, im Vorjahr aber zum selben Zeitpunkt der Tournee die Plazierungen 32, 32 und 33 aufzuweisen. Ein unaufgeregter Experter wie Toni Innauer sagt, er habe „fast erwartet, daß ihm der Druck relativ viel wird“. Erst komme der Aufstieg, sagt Innauer, der es aus eigener Wunderkind- Erfahrung genau weiß, dann müsse das „durch den Magen durch“. Er rät in aller Ruhe abzuwarten, „wie es nächstes Jahr sein wird, wenn er das gemeistert hat“.

Von Abwarten kann aber natürlich keine Rede sein. Bischofshofen steht an, übermorgen. Der Rückstand von 12,3 Punkten in der Gesamtwertung auf Kasai und 11,9 auf Ahonen sei ein „Klacks“, sagt selbst Dieter Thoma. Und die beste Geschichte ist immer der Sieg nach einer richtigen Katharsis. „Mein Gott“, sagt aber Schmitt, „auch ich bin nur ein Mensch – und keine Maschine.“ Das wird nicht jeder gerne hören. pu