Das Portrait
: Künstler, Intendant und Weltbürger

■ Rolf Liebermann

Am 11. Dezember war es nur ein schmerzhafter Husten, der Rolf Liebermann veranlaßte, die Teilnahme an einem Konzert abzusagen. Jetzt ist der Schweizer Komponist und langjährige Hamburger und Pariser Opernintendant im Alter von 88 Jahren in einem Pariser Krankenhaus gestorben.

Am 14. September 1910 wurde der Großneffe des Malers Max Liebermann in Zürich geboren. Er studierte Jura, weil sein Vater, ein Rechtsanwalt, es wünschte, und Musik, weil er selbst es wollte. Dirigieren lernte er bei Hermann Scherchen, dem er als Privatsekretär 1937/38 nach Budapest und Wien folgte, Komposition ab 1940 bei dem Zwölftöner Wladimir Vogel. Seinen Lebensunterhalt verdiente er unterdessen als Pianist und Musikkritiker, Saxophonist und Sänger, aber auch als Übersetzer und Bridge-Lehrer. Er begleitete Stummfilme im Kino und arbeitete fürs politische Kabarett. Mit seinem Marschlied „Wir sind die Internationale Brigade“ zogen deutsche Freiwillige in den Spanischen Bürgerkrieg.

Insgesamt 17 Jahre (1959 bis 1973 und 1985 bis 1988) leitete er das Hamburger Opernhaus mit großem künstlerischem und diplomatischem Geschick. Charme und Kompetenz halfen ihm, sich im Umgang mit Kulturbürokraten durchzusetzen. 23 Uraufführungen fallen in seinen Intendantenzeit, in der er die Hamburger Oper zu Weltruhm führte. 1973 holte ihn der damalige französische Kulturminister Jacques Duhamel nach Paris, wo er bis 1980 das Opernhaus Palais Garnier leitete.

Die FAZ bezeichnete ihn einmal als den „letzten ingeniösen Prinzipal in der Personalunion von Theaterdirektor und Künstler, Pragmatiker und Utopist“. Über 20 Jahre verzichtete er als Intendant aufs Komponieren. Als über 70jähriger wieder damit anzufangen, fiel ihm nicht leicht, aber er wollte „ein bißchen von dem nachholen, was ich nicht getan habe“. Ansehen errang er vor allem durch seine Opern. Die letzte, „Freispruch für Medea“ wurde 1995 in Hamburg uraufgeführt. Liebermann versuchte, eine freie Form der Zwölftonmusik mit Jazzelementen zu verbinden. „Ich gehöre zu gar nichts“, sagte er einmal auf die Frage, ob er sich zur Avantgarde zähle. „Ich lebe unabhängig von dem, was Mode ist.“ Sein letztes, zehnminütiges Stück, für Schlaginstrumente und Klavier, wurde im Mai 1998 in Paris so bejubelt, daß es gleich noch einmal wiederholt werden mußte. Jörg Magenau