Heißgewählte Genossen werben im Call-Center

■ Seit Montag laufen in der SPD-Parteizentrale die Telefone heiß. Die Teams der Urwahl-Kontrahenten Walter Momper und Klaus Böger werben mit Telefonaten um die Stimmen der SPD-Mitglieder. Doch die

Wie in einem Call-Center geht es seit Montag früh in der SPD- Parteizentrale in Wedding zu. In einem schmucklosen kleinen Seminarraum drängeln sich die hochkarätigen TelefonistInnen des Teams von Klaus Böger an zehn Telefonen. Finanzstaatssekretär Klaus Bielka hat als erster den Kopfhörer mit dem Sprechbügel übergezogen und beginnt die SPD- Mitgliederliste abzutelefonieren. Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler wählt sich die Finger wund und seufzt: „Die sind alle berufstätig.“ Kaum ein Mitglied aus Mitte ist erreichbar. Sie selbst kann nur eine halbe Stunde bleiben, dann ruft die Senatorinnenpflicht.

Bis zur Urwahl am 17. Januar wollen die Teams der beiden Bewerber für die SPD-Spitzenkandidatur, Walter Momper und Klaus Böger, möglichst viele SPD-Mitglieder mobilisieren. Hauptziel ist – neben dem Werben für den eigenen Kandidaten – eine möglichst hohe Wahlbeteiligung.

Die Abgeordnete Elga Kampfhenkel flucht über die Mitgliederlisten des Landesverbandes, die nicht auf dem neusten Stand sind. Oft heißt es „Kein Anschluß unter dieser Nummer“, oder die Telefonnummer fehlt ganz. Und jetzt hat sie schon wieder nur einen Anrufbeantworter dran. Falls es gelingt, ein Mitglied ans Telefon zu bekommen, gibt ein „Drehbuch“ des Böger-Teams Hilfestellung: „Prima, hast du kurz Zeit für mich?“ lautet die muntere Ansprache. „Ach, du bist schon überzeugt?“ Für den Fall, daß die Antwort Walter Momper lautet, wird sanft gekontert: „Bist du schon fest entschlossen, oder kann ich dir noch helfen?“

An das Drehbuch hält sich an diesem Morgen keiner. Um sich warm zu reden, ruft Hans-Peter Seitz, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, erst mal Pankower Genossen an, die er persönlich kennt. „Hast du dich schon entschieden?“ fragt er. Das scheint nicht der Fall zu sein, denn Seitz sagt: „Also ich bin für Klaus Böger...“ und beginnt Bögers Vorzüge zu preisen. Der sitzt gegenüber, doch Telefonmarketing scheint seine Sache nicht zu sein. Nach nur zwei Telefonaten mit Genossen, die ihm beide ihre Stimme geben wollen, will er schon wieder aufhören.

Derweil klärt Seitz das Pankower Mitglied gerade darüber auf, daß Klaus Böger seit vier Jahren Fraktionschef ist. Zum Schluß weist er den offenbar älteren Genossen noch auf den Fahrdienst zum SPD-Wahllokal hin: „Damit du nicht zu Fuß hintappeln mußt.“

Auch das Momper-Team kämpft mit den unvollständigen Telefonlisten. Allein fünf Helfer sind mit dem Wälzen von Telefonbüchern beschäftigt. Daß der SPD- Landesvorstand die Listen aus Datenschutzgründen nicht vorab zur Verfügung stellen wollte, wird hier als Behinderung gewertet. Längst hätte man sonst die fehlenden Nummern raussuchen können.

Während das Böger-Team zum Presseauftakt mit Prominenten aufwartete, sitzt beim Momper- Team von Anfang an die Parteibasis am Telefon. Meist sind es ältere GenossInnen. Rolf Krüger (50) macht die Sache sichtlich Spaß. Der 68er lacht: „Ich habe schon für Helmut Schmidt und Willy Brandt Wahlkampf gemacht.“ In seinen ersten Telefonaten ist er vor allem auf GenossInnen gestoßen, die sich unentschieden zeigten. Immerhin: „Es hat noch keiner den Hörer aufgeknallt.“ Dorothee Winden