Die Grünen haben für Koch „angerichtet“

In Hessen wird am 7. Februar gewählt. Die Aussichten der affärengeschüttelten Grünen sind trübe. Sie haben zwei Probleme: den geplanten Flughafenausbau in Frankfurt und die Fünfprozenthürde  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – Selbst in der grünen Hochburg Frankfurt spielen nicht wenige Stammwähler der Partei mit dem Gedanken, diesmal den „braven Hans“ Eichel (SPD) zu wählen oder am 7. Februar, dem Tag der Landtagswahl, daheim zu bleiben und „Risiko“ zu spielen: Risiko Koch. Der „junge Wilde“ Roland Koch ist der Spitzenkandidat der Union. Die PDS tritt zur Hessenwahl nicht an. Kommen die Bündnisgrünen diesmal nicht über die Fünfprozenthürde, dürften auch die 45 Prozent der Wählerstimmen, die jüngsten Umfragen zufolge für die SPD in den Urnen liegen werden, nicht reichen, um Koch den Sieg zu nehmen – falls die FDP wieder in den Landtag kommt. Fünf Prozent werden den Freien Demokraten prognostiziert; den Grünen (noch) acht.

Die CDU hat in Hessen schon einmal einen von den Demoskopen für „unmöglich“ erachteten Erfolg errungen: 1987 mit Walter Wallmann gegen Krollmann (SPD) und Joschka Fischer. Schon bei der Bundestagswahl im September wurden die Bündnisgrünen in Hessen im Vergleich zu 1994 arg gerupft: minus 1,1 Prozent.

Die Sympathisanten der Partei sind sauer – wegen der diversen Skandale und Skandälchen, die sich die „Spitzen“ der Grünen im Lande in der noch laufenden Legislaturperiode glaubten leisten zu können. Trauriger Höhepunkt: die „Enttarnung“ von MdL Reinhold Weist als Steuerhinterzieher erst vor Monatsfrist. Das „grüne Urgestein“ hatte über Jahre hinweg Zinseinkünfte aus der Beteiligung an einem Aktienfonds in Luxemburg nicht dem Finanzamt gemeldet. „Pharisäer“ nannte die Union den Nordhessen zu Recht, der sein Mandat immerhin umgehend niederlegte – Weist hatte vor gut einem Jahr einen Landtagsabgeordneten der CDU, dem die Hinterziehung von Steuern nachgewiesen worden war, scharf kritisiert. Die Bündnisgrünen müßten sich warm anziehen, weil sie in der zu Ende gehenden Legislaturperiode „auch Fehler gemacht“ hätten, räumte der Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten, Rupert von Plottnitz, schon auf dem Listenparteitag im Oktober in Hanau ein.

Unverzeihliche Fehler? Das Parteivolk hat seinem Führungspersonal offenbar verziehen. Etwa die peinliche Affäre um den Rücktritt von Umweltministerin Margarete Nimsch, die unter dem von der CDU geprägten Schlagwort „Cousinenwirtschaft“ in die Landesgeschichte eingegangen ist. Unter Nimsch sollen Unternehmen, die der Partei nahestanden, bei der Auftragsvergabe bevorzugt worden sein. Ein danach eingerichteter parteiinterner Untersuchungsausschuß fand nichts heraus. Der Ausschußvorsitzende, der Rechtsanwalt Roland Kern, der auch Vorsitzender des grünen Schiedsgerichts ist, wurde dafür mit einem aussichtsreichen Listenplatz belohnt.

Ob aber auch das Wahlvolk so leicht verzeiht? Mit Großeinsätzen der gesamten Führungsriege der Partei – von Fischer über Trittin bis Röstel – soll jetzt der inzwischen in Hessen weitverbreiteten Einschätzung widersprochen werden, die Bündnisgrünen seien eine „stinknormale Partei“, wie der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Armin Clauss, keck konstatierte. Für die CDU sind die Bündnisgrünen in Hessen längst „schlimmer als stinknormal“, so ihr Pressesprecher im Landtag, Dirk Metz. Die Veröffentlichung von Skandalchroniken der Grünen gehört inzwischen zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Hauptangriffsziel dabei: Justizminister von Plottnitz. Ein „Sicherheitsrisiko“ nennt die Union den Minister.

Daß von Plottnitz 1997 einen Oberstaatsanwalt absetzen wollte, der im Rahmen eines Verfahrens wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen diverse Sparkassen auch gegen Finanzminister Karl Starzacher (SPD) ermittelte, hat dem Ansehen des Justizministers in der Tat geschadet. Starzachers Steuerfahnder sollen Sparkassenvorstände vor bevorstehenden Razzien gewarnt haben. Die Protektion Starzachers durch seinen Kabinettskollegen von Plottnitz war allerdings ein Schuß, der nach hinten losging. Der Justizminister mußte den Oberstaatsanwalt wieder einsetzen, und der Landtag regte sich über die „Affäre von Plottnitz“ auf; eine Affäre Starzacher gab es nicht mehr.

Herausforderer Roland Koch glaubt fest daran, daß die Wähler „den Wechsel herbeivotieren“. In Hessen sei schließlich schon immer gegen den Bundestrend gewählt worden. Koch: „Manchen bei SPD und Grünen dämmert, daß sie damit ein Problem bekommen könnten.“

SPD und Grüne haben noch ein anderes Problem: Der schöne Plan nämlich, via Mediationsverfahren die fällige Entscheidung über den Bau einer neuen Start- und Landebahn am Frankfurter Flughafen über den Wahltermin hinaus zu verschieben (und damit auch den programmierten Streit zwischen den Koalitionspartnern), ist obsolet geworden. Mit der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) stieg vor Weihnachten auch noch die letzte NGO-Gruppe aus dem Mediationsverfahren aus, mit dem die Landesregierung Ausbaugegner und -befürworter an einen Tisch bringen wollte. „Zusammen reden“ (Eichel), das sollte Zusammenstöße wie zu Startbahnzeiten 1981/82 verhindern. Doch wie zuvor schon der BUND, der Naturschutzbund Deutschland und die Bürgerinitiativen gelangte auch die SDW nach einem halben Jahr Mediation zu der Auffassung, daß der Ausbau des Flughafens ohnehin schon beschlossene Sache sei und die Mediation nur ein „Verschleierungs- und Verschleppungsverfahren“.

Auch die rot-grüne Koalition selbst ist sich beim Flughafenausbau nicht einig. Wirtschafts- und Verkehrsminister Lothar Klemm (SPD) ist ein glühender Befürworter der Ausbaupläne. Der Landesvorstandssprecher der Bündnisgrünen, Tom Koenigs, dagegen wird nicht müde zu erklären, daß es mit seiner Partei weder eine neue Startbahn Nord noch eine Startbahn Süd geben werde. Der Flughafenausbau – der Stolperstein auf dem Weg zu einer Neuauflage der hessischen Verhältnisse. Vielleicht ist es deshalb am 7. Februar in Wiesbaden den Umfragen zum Trotz tatsächlich „angerichtet“ für Hobbykoch Roland Koch von der Union: als Juniorpartner in einer großen Koalition der Ausbaubefürworter?