American Pie: Grimmige Tage
■ Zuspitzung im Arbeitskampf der NBA: Spieler stimmen über „letztes Angebot“ ab
And she just smiled and turned away
Rette sich, wer kann, hieß in den letzten Tagen die Strategie für diverse NBA-Spieler, doch das Schlupfloch Europa erwies sich nur für einige als geeignet, der Arbeitslosigkeit zu entrinnen. Nachdem Nick van Exel und andere Profis vor Gericht mit ihrem Projekt gescheitert waren, trotz ihrer Verträge mit NBA- Klubs bis zum Saisonende für einen europäischen Klub spielen zu dürfen, schlossen lediglich ein paar free agents, meist mit europäischem Paß, Kontrakte mit Europaligavereinen. Diese erlauben ihnen, nach einer gewissen Frist in die USA zurückzukehren, wenn die NBA-Saison doch noch gestartet wird. Nach Arvidas Sabonis (Zalgiris Kaunas) und Vlade Divac (Roter Stern Belgrad) kamen noch Vinny del Negro (Teamsystem Bologna), Top- Draft-Pick Michael Olowokandi (Kinder Bologna), Mirsad Turkcan (Efes Istanbul) und Stojko Vrankovic (Cibona Zagreb).
Die Frist zur Nachmeldung von Spielern für die Europaliga ist inzwischen abgelaufen und die Situation für die verbliebenen NBA-Akteure prekär geworden, auch wenn sie nicht so arm dran sind wie Bostons Kenny Anderson (letztes Jahresgehalt fünf Millionen Dollar), der jüngst erklärte, er müsse wohl seinen Mercedes verkaufen. Die Situation im Arbeitskampf der NBA ist so zugespitzt, wie sie Commissioner David Stern haben wollte. Wenn es bis morgen keine Einigung gibt, will er den Klubbesitzern die Absage der kompletten Saison empfehlen, das letzte Angebot der Spielergewerkschaft für einen kollektiven Arbeitsvertrag lehnte er rundweg ab, weil es einen Rückschritt darstelle. Auf dem Tisch liegt das ultimative Angebot der Besitzer, über das rund 400 Spieler heute abstimmen werden. Eine überraschende Entwicklung, denn bisher hatte die Gewerkschaft eine Urabstimmung strikt abgelehnt und sich auf die alleinige Zuständigkeit der 19köpfigen Verhandlungskommission berufen, der neben Gewerkschaftsdirektor Billy Hunter auch Spieler wie Gewerkschaftspräsident Patrick Ewing, Dikembe Mutombo, Juwan Howard oder Alonzo Mourning angehören, nicht ganz zufällig allesamt Klienten von David Falk. Der mächtige Agent vertritt auch Michael Jordan und wird nicht nur von Stern für die harte Linie der Gewerkschaft verantwortlich gemacht wird, die den Spielern auch die Ablehnung des NBA-Angebots empfiehlt.
Sowohl den Klubbesitzern als auch den Agenten war von vornherein klar, daß dieser Arbeitskampf eine Entscheidungsschlacht darstellen würde, welche die Verteilung der Profite in Milliardenhöhe für das nächste Jahrzehnt festlegt. Zwar konnte man sich im Laufe der Zeit auf ein Kontrollsystem für die Höhe der Spielergehälter einigen, doch bei den absoluten Zahlen für Maximumlöhne, Minimumlöhne und den Anteil der Gehälter am basketballbezogenen Einkommen liegt man nach wie vor auseinander. Sterns Taktik war es, die Aussperrung der Spieler so lange fortzusetzen, bis die Mehrheit tatsächlich glaubt, daß er bereit ist, die Saison zu opfern, und so weichgekocht ist, daß sie einen für die Bosse günstigen Deal akzeptiert. Dieser Punkt ist jetzt erreicht, und die Konzession einer Urabstimmung ein klarer Erfolg für Sterns Vorgehen.
Das Einlenken der Gewerkschaft ist auch darauf zurückzuführen, daß keineswegs alle Spieler ihren Crashkurs unterstützen. Bei der Vollversammlung der Profis letztes Jahr in Las Vegas herrschte zwar noch große Einmütigkeit, sich nicht über den Tisch ziehen zu lassen, inzwischen aber glauben viele Spieler, daß eine vernünftige Einigung möglich gewesen wäre. Kevin Willis von den Toronto Raptors klagt sogar gegen die Gewerkschaft, weil sie ihre „Pflicht der fairen Repräsentation“ verletze.
Nun aber hängt erst mal alles an der Abstimmung der Spieler und daran, ob sie Stern glauben, daß die Situation tatsächlich so „grimmig“ ist, wie er behauptet. „Wenn sie gegen unsere Empfehlung stimmen, müssen wir damit leben“, erklärte Billy Hunter, aber selbst wenn die Profis hart bleiben, ist nicht alles verloren. Auch in den großen Arbeitskämpfen im Eishockey und Baseball kam die Einigung erst nach deutlicher Überschreitung der angeblichen Deadline. Matti Lieske
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