■ Filmstarts à la carte: Von Volkshelden und Volksfront
Oft erzählen Kostümfilme weit weniger über die Epoche, in der sie spielen, als viel mehr über die Zeit ihrer Entstehung. So auch „Bonnie und Clyde“, wo Regisseur Arthur Penn den Outlaw- Mythos der dreißiger Jahre erfolgreich mit dem rebellischen Geist des Undergrounds der Sechziger verband. In der Verkörperung durch Faye Dunaway und Warren Beatty wurden Bonnie und Clyde zu Ikonen der Popkultur und lösten eine Modewelle aus. Doch Penn verdeutlicht auch die Entstehung von Mythen: Die eigentlich nicht übermäßig „erfolgreichen“ Gangster (wenn man einmal davon absieht, daß sie rund ein Dutzend Leute umbringen) stilisieren sich in – historisch belegten – Selbstinszenierungen zu Volkshelden. Da werden Fotografien in entsprechenden Posen angefertigt und an Zeitungen geschickt, die auch die von Bonnie selbstgedichteten Rechtfertigungs-Verse abdrucken. Die Gangster avancieren zu Medienstars. Später wird sich die Selbstüberschätzung der kleinen Ganoven rächen und sie ihrer eigenen Legende zum Opfer fallen lassen. Wie Staatsfeinde werden sie in einem Hinterhalt von Polizisten mit Kugeln durchsiebt: Penn zeigt es uns in einer legendären Sequenz. Am Ende steht das Paradox: Jeder einzelne Schuß bringt Bonnie und Clyde der Verklärung und der Legende wieder ein Stück näher.
Authentisch kommt hingegen Jean Renoirs Spielfilm „La vie est à nous – Das Leben gehört uns“ daher: In einer Zeit, als die Kommunisten noch die „Guten“ waren und sich die Linksparteien in Frankreich zur Volksfront zusammenfanden, schuf der Maestro 1936 im Auftrag der Kommunistischen Partei dieses Werk, in dem die Vorzüge solidarischen Handelns in mehreren Episoden gepriesen werden. Ob in der Fabrik oder auf dem Lande: Die Partei bietet den herzlosen kapitalistischen Ausbeutern erfolgreich die Stirn. Und natürlich bietet die Solidargemeinschaft der Genossen auch der Jugend eine Zukunft. Garniert wird das Ganze – Lenin sei gepriesen – von Reden und Theorien damaliger Parteiführer. Fraglos ein Produkt seiner Epoche, geprägt vom Humanismus Renoirs und von einer kaum zu schlagenden Naivität, die heute eher charmant denn albern anmutet.
Sarotti-Mohren und Negerküsse, Hottentotten-Musik und Pogo in Togo: Bei näherem Hinsehen erscheint das Afrikabild der Deutschen schon etwas merkwürdig. Auch Regisseur Martin Baer hat sich darüber so seine Gedanken gemacht. Ergebnis: die Kollage „Befreien Sie Afrika!“. Interviews mit Kriegsveteranen und eine Kompilation von Ausschnitten aus Werbespots, Spielfilmen und Reportagen erzählen vom alltäglichen und oft ganz unwillkürlichen Rassismus. Und wie so oft am Jour fixe des Dokumentarfilms von Filmbühne und taz läßt sich das Werk anschließend mit seinem Schöpfer diskutieren.
Lars Penning
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