■ Iran: Offizielle geben zu, daß Geheimdienst Mordserie verübte
: Die Teheran-Astrologen

Früher mußte man sich oft der sogenannten Kremlastrologen bedienen, um zu erfahren, was sich in Moskau abspielte. Daß diese Art der Astrologie mehr zur Verwirrung beitragen kann, das hat sich spätestens nach dem sowjetischen Zusammenbruch herausgestellt. Wer glaubte, daß damit die Zeit dieser Sorte der Astrologen vorbei sei, wird täglich eines Besseren belehrt. Denn solange es diktatorische Regime gibt, werden sich auch Deuter finden, die auf dem Markt der Informationen ihr Glück suchen.

Das scheint zwar auch im Falle der Islamischen Republik Iran zuzutreffen. Doch Teheran ist nicht Moskau, der Gottesstaat kein monolithischer Block. Deshalb kann man sich auf solche Art Astrologen kaum verlassen. Das beste Beispiel ist jene Information, die seit drei Tagen von einem iranischen Beamten mit anonymen Namen Bascheri in den deutschen Medien kursiert. Er habe in Frankfurt um politisches Asyl nachgesucht und eine Liste mit 200 iranischen Dissidenten vorgelegt, die demnächst vom Geheimdienst ermordet werden sollen. Diese Zahl schwankt bei anderen „Informanten“ zwischen 40 und 300. Dies mag verdeutlichen, wie vorsichtig man mit den Meldungen aus dem Iran umgehen muß.

Doch die offzielle Verlautbarung aus Teheran, ein Ring von Geheimpolizisten sei aufgedeckt worden, die für die jüngste Mordserie an liberalen Intellektuellen verantwortlich sind, ist eine kleine Sensation. Zum einen wird mit dieser Verlautbarung der höchste Mann im Staat, der Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, bloßgestellt. Chamenei ebenso wie der Ex-Staatspräsident Rafsandschani hatten zunächst ausländische Agenten für die Morde verantwortlich gemacht. Zu Recht wollte niemand daran glauben, also bekannte sich später eine unbekannte islamistische Organisation zu den Morden. Auch das nutzte nichts, nun wird doch der Geheimdienst verantwortlich gemacht, der unter konservativem Einfluß steht.

Jener Nebensatz in der offiziellen Verlautbarung aus Teheran, die Geheimpolizisten hätten im Interesse des Auslands gehandelt, ist ein lächerlicher Vertuschungsversuche. Aber Präsident Chatami kann in dieser Affäre trotzdem einen gewissen Sieg verbuchen. Denn in der Erklärung heißt es: Die Sonderermittlungsgruppe, die der Präsident eingesetzt hatte, hat die Verwicklung der Geheimpolizisten aufgedeckt.

Die Geistlichen sollten im Iran ursprünglich die Moral repräsentieren. Nun ist für jedermann sichtbar geworden, daß ihre Lügen zur Staatsdoktrin geworden sind. Ali Sadrzadeh

Der Autor ist Redakteur beim Hessischen Rundfunk