Nigerias Wirtschaft aus den Fugen

■ Öleinnahmen und Gehälter sinken, Unruhe im Land wächst. Menschenrechtler melden 240 Tote bei Kämpfen im Ölfördergebiet

Berlin (taz) – Die ökonomischen Aussichten des Ölstaates Nigeria verdüstern sich weiter. Das Sinken der Rohölpreise brachte bereits 1998 die Wirtschaftspläne der herrschenden Militärs durcheinander. Nun hat Militärherrscher Abdulsalam Abubakar in seinem Haushaltsplan für 1999 weitere schwere Zeiten ankündigen müssen. Das könnte die versprochene Demokratisierung gefährden.

In seiner Haushaltsrede zum Neujahrstag verkündete Abubakar, die geplanten Staatseinnahmen würden 1999 gegenüber 1998 um 54 Prozent sinken. Angesichts der fallenden Rohölpreise werden die Einnahmen, die zu über 90 Prozent aus dem Ölexport kommen, nur noch auf der Grundlage eines Ölpreises von neun Dollar pro Barrel kalkuliert – für 1998 betrug die Berechnungsgrundlage noch 17 Dollar. Finanzminister Ismaila Usman präzisierte gestern, Nigeria erwarte 1999 5,28 Milliarden Dollar Öleinnahmen. 1998 waren 9,83 Milliarden eingeplant, die aber bei weitem nicht erzielt worden sind.

Abubakar verglich den Zustand der nigerianischen Wirtschaft mit einer „bösartigen Krankheit“, deren Behandlung „leider Schmerzen vor der erwünschten Heilung“ bewirken werde. Aber die Schmerzen sind selektiv: Nach wie vor fließen über 40 Prozent der Staatsausgaben – 88 Milliarden aus 211 Milliarden Naira – in den weiteren Ausbau der neuen Hauptstadt Abuja. Hingegen sollen die erst Ende 1998 zugesagten Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst „überarbeitet“ werden. Die Mindestgehälter im öffentlichen Dienst liegen in einigen Bundesstaaten bei lächerlichen 3.000 Naira (ca. 50 Mark); im Dezember kam es deswegen bereits zu Streiks. Positive Auswirkungen dürfte hingegen die Abschaffung des doppelten Wechselkurses des nigerianischen Naira gegenüber dem US-Dollar haben, der es bisher Verantwortungsträgern im Staat ermöglichte, für Staatszwecke Dollar zu einem viel günstigeren Umtauschkurs als dem Marktkurs zu kaufen. Der Sonderkurs, Haupteinnahmequelle vieler korrupter Beamter, wurde mit sofortiger Wirkung abgeschafft.

Abubakars Sparkurs macht sich bereits bemerkbar. Schon vor Weihnachten erhöhte die Regierung den offiziellen Benzinpreis von 11 auf 25 Naira (20 auf 50 Pfennig) – eine äußerst unpopuläre Maßnahme, die die Preistreiberei auf dem Schwarzmarkt weiter anheizt. Aus diesem Anlaß veranstalteten Oppositionelle in Lagos am Montag erstmals seit Monaten eine größere Demonstration.

Die Proteste, zu denen sich in Kürze neue Streiks im öffentlichen Dienst gesellen dürften, fallen in eine heikle Zeit. Im Niger-Flußdelta, wo Nigerias Öl gefördert wird, herrschte in den vergangenen Tagen ein regelrechter Bürgerkrieg. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sind bis zu 240 Menschen bei der Niederschlagung von Protesten der Ijaw-Minderheit ums Leben gekommen. Offizielle Angaben sprechen lediglich von 26 Toten.

Ijaw-Aktivisten hatten am 11. Dezember den Ölkonzernen ein Ultimatum bis 30. Dezember zum Verlassen des Niger-Deltas gestellt. Zum Ablauf des Ultimatums verhängte die Regierung im Bundesstaat Bayelsa den Ausnahmezustand und schickte nach Menschenrechtsangaben 19.000 Soldaten in die Ijaw-Städte hinein. Tausende von Menschen sind vor dem Militäreinsatz geflohen, mehrere Ijaw-Führer sind verschwunden. Die restlichen handelten vor zwei Tagen unter Vermittlung des geachteten Ex-Präsidenten Olusegun Obasanjo mit der Regierung einen Waffenstillstand und eine Aufhebung des Ausnahmezustands aus. Dominic Johnson