Rückendeckung für die Karriere

Frauen tun sich schwer, Berufskontakte für ihr Fortkommen einzusetzen. Ein Grund, weshalb sie so selten in hochdotierte Führungspositionen vorstoßen? In Mentoringprogrammen lernen sie, Netzwerke aufzubauen und für ihre Karriereplanung zu nutzen. Angeleitet werden sie von Betriebsmanagern. Und das sind meist Männer. Einblicke  ■ von Sylvia Meise

Wir wollen nach ganz oben!“ Traudel Klitzke, Frauenförderfrau bei Volkswagen, klingt resolut. Das muß sie wohl auch, inmitten einer Männerdomäne. Dreißig Prozent Frauen, hat sie sich vorgenommen, sollen zukünftig VW in der Führungsebene vertreten. Das wären zehnmal so viele wie bisher. Aber wie? Denn eine gute Ausbildung allein reicht noch immer nicht. Was fehlt, darin sind sich seit Jahren schon die in Netzwerken organisierten Frauen einig, sind Seilschaften dort, wo man weiterkommen will. Männer, heißt es, knüpften ganz selbstverständlich informelle Netze. Bei Bier oder Kaffee gibt's Jobbörsen und Interna.

Mentoring will Frauen in die jobwichtigen Infokanäle einklinken. Die Strategie: Ein erfahrener Kollege erklärt der Mentee das interne, ungeschriebene Regelwerk, berät bei Problemen und hilft bei der Karriereplanung. Oder, wie derzeit in einem Erfurter Modellprojekt, er unterstützt Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf.

Grundsätzlich ist Mentoring für jede Zielgruppe denkbar, die Unterstützung braucht, erklärt Nadja Tschirner. Seit zwei Jahren gehört die Frauenforscherin zum EU-Projektteam „Mentoring für Frauen in Europa“ beim Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. Deren Projektbroschüre, die über Durchführbarkeit und Konzepte von Mentoring aufklärt, wurde von Frauenbeauftragten und anderen Interessierten aus Politik und Verwaltung so häufig nachgefragt, daß schon eine zweite Auflage erschienen ist.

Erste Erfahrungswerte hat Volkswagen in Wolfsburg zu bieten. Dort beendet gerade die erste Staffel ihr Mentoringprojekt, das mit EU-Mitteln gefördert wird (New Opportunities for Women). Susanne Dirksen, eine der zwanzig ersten Mentees bei VW, hat mit ihrem Mentor Spielregeln vereinbart: „Ich habe meinem Mentor gesagt, wenn ihn irgend etwas stört, soll er es mir sofort sagen.“ Sich selbst hat sie die Möglichkeit gesichert, auch ihn mal kritisieren zu dürfen.

Gegen einen Mann als Mentor hat sie nichts einzuwenden. Für die 27jährige Ingenieurin gehört die Zusammenarbeit mit Männern seit Jahren zum täglichen Brot. Kein Wunder in einem technischen Beruf. Die Männer, sagt sie, sprächen eine andere Sprache. „Wenn ich mich mit meinen Freundinnen treffe, rede ich anders“, gibt sie zu. Da sie nun mal in einer Männerdomäne arbeitet, ist sie sich sicher, daß ein Mann ihr ohnehin bei der Karriereplanung besser helfen könne als eine Frau. Denn der wisse, wie es in der Chefetage zugeht.

Es gibt noch weitere Regeln: Das Mentoringprogramm sieht vor, daß Mentee und Mentor nicht in derselben Abteilung arbeiten. Der Mentor oder die Mentorin ist also nicht direkt in die Arbeit der Mentee verwickelt, weiß aber genau um die Abläufe und kennt auch den Themenbereich. Für ein internes Bewerbungsgespräch hat sich Susanne Dirksen von ihrem Mentor beraten lassen. Mit Erfolg: Ab Januar ist sie Assistentin des Bereichsleiters. „Ohne das Mentoring“, sagt sie, „wäre ich noch nicht soweit.“

Abgesehen vom Namensgeber Mentor, der Odysseus' Sohn während des Irrfahrers Abwesenheit betreute und unterrichtete, stammt die Idee des Mentoring aus den USA. Benachteiligte Jugendliche und Schwarze waren die ersten Zielgruppen. Eine Mentoringbeziehung besteht immer aus Betreuer und Schützling und dauert zwischen sechs und zwölf Monate. Es gibt interne oder externe MentorInnen, die Unterstützung kommt also von inner- oder außerhalb des Betriebs. Dritte Variante ist das Cross-Mentoring: Zwei oder mehr Unternehmen schließen sich zusammen, und die Mentees können dann in den anderen Firmen schnuppern gehen.

In einem Punkt ist sich Frauenforscherin Tschirner sicher: „Unternehmen, die ohnehin keine müde Mark für Frauenförderung ausgeben, werden auch kein Mentoring machen.“ Die großen Betriebe aber, die längst Fördermaßnahmen für ihre qualifizierten Frauen praktizieren, interessierten sich sehr für dieses Programm. Daß sich Mentoring auch in mittelständischen Betrieben anwenden läßt, muß sich allerdings noch stärker herumsprechen. Im Unterschied zu anderen Fördermaßnahmen will Mentoring nicht frauenspezifische Defizite aufarbeiten. Ein Blick in die VW-Dokumentation zeigt: Beim Mentoringprogramm handelt es sich nicht um einen Computer- oder Sonst-was-Nachhilfekurs, hier werden „weibliche Nachwuchspotentiale“ gefördert, deren „Kompetenzen sichtbar gemacht“ und ihre „Ressourcen“ für die Firma erschlossen. Kapitalismussprache pur.

Frauenfördermaßnahmen für Führungspositionen kranken oft an ihrem Nischendasein, so die Forscherin. Der neue Ansatz: Die Topmanager müßten mit einbezogen werden, denn die wüßten oft gar nicht, welche Bedingungen eine Frau konkret vorfinde. Auch das ein Vorteil von Mentoring – die Abteilungsgrenzen werden transparent, Männer und Frauen lernen einander besser kennen. Es leuchtet ein: Frauen, die Führung übernehmen wollen, müssen den Topmanagern bekannt sein. Schließlich werden die leitenden Positionen nicht ausgeschrieben. Führungskräfte werden ausgeguckt, da müssen sie auch sichtbar sein.

Fortbildung gehört zum Standardangebot für Arbeitnehmer. „Von einem Seminar allein wird man aber noch keine Führungskraft“, wie Nadja Tschirner betont. Das EU-Projekt bietet den Teilnehmern ein Begleitprogramm, bestehend aus Workshops, Karriere-Entwicklungsplanung, Supervision für Mentoren und europaweiten Austauschtagungen für die Mentees. Weil Mentoring noch so neu ist, gibt es jede Menge Fragen und Unsicherheiten. Etwa, ob eine Mentoringbeziehung überhaupt in den randvollen Terminkalender eines Managers paßt. Kein Problem, so die Erfahrung. In der Regel trifft sich das Paar einmal im Monat für etwa zwei Stunden – nach Bedarf auch zusätzlich. Überstrapazierung kommt hierdurch meist nicht zustande, wie eine aktuelle Umfrage des DJI ergab.

Nur noch Karriere? Keine Kinder? Susanne Kugland, ebenfalls VW- Mentee, hat eine dreijährige Tochter. „Ich werde es halten wie Ron Sommer, der Chef der Deutschen Telekom“, gibt sie sich optimistisch. Der habe Familie und verlasse nachmittags um fünf das Büro. „Manchmal nimmt er sich Arbeit mit nach Hause. Die kann er abends machen und hat trotzdem Zeit für seine Familie gehabt.“ Sechzig Stunden und mehr, das gehe mit ihr nicht, da ziehe sie Familie der Karriere vor.

Auch ihr Mentor ist ein Mann. „Das erste, was er mir erzählte, war, daß er Familie hat und seine Frau auch berufstätig ist.“ Noch, sagt Susanne Kugland, sieht sie keine Probleme bei ihrer Tochter. Mit ihrem Mentor, der mit 39 nur sieben Jahre älter ist als sie, kann sie sich über ihre Vorstellungen, Ängste der Wünsche unterhalten. Sie profitiere von seiner Erfahrung, meint sie. Mit dem Mentoring könne man sehr gut die eigenen Stärken und Schwächen ausloten. Nadja Tschirner weiß aber auch von Frauen, die nach dem Einblick in den Manageralltag festgestellt haben: „Das will ich gar nicht.“

Ist Mentoring erfolgreich? Und wenn ja: wie sehr, wodurch, für wen? Um das herauszufinden, hat das Projektteam MentorInnen und Mentees in Schweden, Finnland und Deutschland über ein Jahr hinweg befragt. Die Studie wird im März veröffentlicht. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen jedoch schon jetzt einen positiven Trend für das Mentoring.

Auch andere Frauenbeauftragte bei Hoechst, Lufthansa, der Deutschen Bahn und weiteren Mitgliedorganisationen beim Bund „Forum Frauen in der Wirtschaft“ zeigen sich interessiert. Empfehlenswerte Programme werden weitergereicht und diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht. Deutsche und Commerzbank sowie Telekom und Lufthansa haben sich anschieben lassen und für ein Cross-Mentoring entschieden. Kürzlich lief die Auftaktveranstaltung.

Trotz aller Vorschußlorbeeren warnt Nadja Tschirner vor übereilten Hoffnungen – und erinnert an einstige Vorreiter, die nach einem Jahr feststellten, daß es nach wie vor keine Frauen in der Führungsspitze gab, und das Projekt enttäuscht wieder abbrachen. Eine richtige Karriere, so die Forscherin, ist in weniger als fünf bis zehn Jahren nicht zu realisieren.

Zwei Dinge bilanziert sie als sehr positiv am VW-Projekt: erstens die gut vernetzte interne Mentoringorganisation. Und zweitens die Botschaft des Managements: „Wir wollen unsere Nachwuchskräfte fördern.“ Leiste der Betrieb gute interne Aufklärungsarbeit und zeige die positiven Seiten der Mentoringbeziehungen auf, werde auch die Belegschaft sich offen zeigen und das Mentoring mit unterstützen.

Auch der europaweite Erfahrungsaustausch sei wichtig, etwa bei den regelmäßigen Treffen der Mentees, die am EU- Programm teilnehmen. Die Projektbroschüre stellt die Partnerprojekte aus Großbritannien, Schweden, Finnland, Österreich und den Niederlanden vor. Dort laufen Mentoringprogramme schon seit drei bis fünf Jahren. Daß die Schweden eine gute interne Aufklärung leisten und Ergebnisse aus dem Mentoringprojekt eher langfristig erwartet werden, fiel Nadja Tschirner auf. Dagegen sei in Deutschland Ungeduld die Crux – wenn nicht gar der Exitus der Frauenförderung.

Sylvia Meise, 37, arbeitet als freie Journalistin in Frankfurt am Main. Ihre Schwerpunktthemen sind Soziales und Familie