Glücksspielland

Sieben große Tipplotterien stehen den Italienern zur Verfügung: Neben den auf Fußballergebnisse bezogenen Totocalcio, Totogol und Totosei gibt es noch die Pferdewetten Totip und Tris sowie das Zahlenraten des Enall Lottos und neuerdings des Superenalottos. Während die Fußball- Lotterien nur einmal die Woche zum Zuge kommen, kann man das Lottoglück zweimal, das Tris je nach Woche gleich vier- bis fünfmal versuchen. Eigene, ausschließlich dem Spielerglück gewidmete Wochenmagazine kümmern sich um die Glückspilze in spe.

Während das traditionelle Fußballtoto (wo man dreizehn Siege, Niederlagen oder Unentschieden richtig tippen muß) ebenso wie das normale Lotto (das in zehn verschiedenen Variationen, benannt jeweils nach Städtenamen, ausgespielt wird, wo man jeweils 5 aus 99 Zahlen richtig raten muß, mit Gewinn ab zwei Treffern) und auch die Dreierwette des Pferderennens einen starken Beliebtheitsverlust beklagt, ist der Zuwachs beim Totosei (wo man die sechs Spiele mit der höchsten Torzahl raten muß), vor allem aber beim Superenalotto geradezu gigantisch.

Das kommt davon, daß hier ein Jackpot eingeführt wurde, so daß nicht ausgeschüttet Haupttreffergelder der jeweils nächsten Ausspielung zugeschlagen werden. Die Zahlen dazu werden bei der traditionellen Lottoziehung ermittelt; man muß die in den zehn Variationen jeweils erstgezogenen Zahlen (aus 99) richtig raten, es gibt einen Trostsuperpreis von fünf Richtigen mit Zusatzzahl, gewonnen wird ab drei Richtigen. Die Ausschüttungssumme (andere Lotterien: 2 bis 3 Millionen Mark im Schnitt) hat einmal den Rekord von mehr als 65 Millionen Mark erreicht.

Mehr als zehn Millionen Tipper bilden den harten Kern von Italiens Glücksversuchern; schwillt der Jackpot im Superenalotto jedoch an, werden es flugs mehr: An die 25 Millionen Personen haben sich bei der Superausschüttung Ende Oktober beteiligt, wobei viele Menschen aus dem benachbarten Ausland mitgemacht haben. In starker Zunahme begriffen sind Tippgemeinschaften: Nicht mehr nur ein paar Freunde, sondern ganze Dörfer oder Stadtviertel legen ihr Geld zusammen, um möglichst viele Kombinationen auf die Scheine zu bringen.

Natürlich gedeiht in solchem Umfeld auch die Scharlatanerie – nicht nur, daß jeder, der mal gewonnen hat, sofort zum Tippexperten wird und, wenn er pfiffig ist, sein angebliches Wissen zur weiteren Einnahmesteigerung teuer verkauft, auch angebliche Universitätsmathematiker und Computerspezialisten tummeln sich auf dem Gebiet. Auf mehr als 200 Millionen Mark Umsatz jährlich schätzen Experten die Einnahmen der Tippratgeber. Es sind die einzigen sicheren Gewinner der Tippmanie. Werner Raith