Die schlichte Welt der Petzprosa

■ Medienmischpoke und Britpop: Benjamin von Stuckrad-Barre liest aus seinem postpubertären Debütroman „Soloalbum“

Popsommer mal anders. Im letzten Jahr griff die popculture tief in die Trickkiste, um sich als Folie über manch andere Teilöffentlichkeit zu legen, die darum eigentlich gar nicht gebeten hatte. Da fiel Gerhard Schröder wegen seiner Pop(un)fähigkeit durch, und die leutselige Forderung nach dem guten Buch, das endlich ein guter Popsong zu sein habe (wobei die einen damit die Rolling Stones, die anderen aber Aphex Twin meinten), wurde gleich im Dutzend eingelöst und vor allem veröffentlicht: Judith Hermann, die es gar ins „Literarische Quartett“ brachte, Andreas Neumeister, Christian Kracht, Benjamin von Stuckrad-Barre und manch andere Hersteller von „Jungness“-Publikationen, die schon druckfertig bei Verlagen liegen.

An die Spielregeln der Petzprosa hält sich dabei Benjamin von Stuckrad-Barre – was ihm immerhin schon die dritte Auflage einbrachte. Viele aus der Hamburger Medienmischpoke bekommen bei ihm ihr Fett weg, und einige haben sich vor dem Erscheinen auch schon bitter beschwert. Aber wir verraten die Namen nicht. Denn das tut auch Soloalbum, der Debütroman des 23jährigen Journalisten (taz, Woche, Rolling Stone) nicht. Beleidigt sind die manchmal leicht zu dekodierenden Opfer natürlich trotzdem. Oder freuen sie sich, überhaupt wahrgenommen zu werden?

Ansonsten entwirft das schmale Büchlein eine postpubertäre Welt, die man so zusammenfassen kann: Alles Scheiße außer Oasis. Die Brit-Popper werden samt Japan-Pressungen und Textzeilen ebenso kultisch verehrt wie der Rest der Welt in Grund und Boden gerammt wird. Die Titel ihrer Liedchen geben sogar die Überschriften der Romankapitel ab - wobei „Wonderwall“, ihre einzige gute Hit-Single, natürlich nicht auftaucht. Das wäre ja auch zu banal. Dafür müssen richtige Oasis-Fans einzelne Stücke ohne Refrains und durchs Telefon erkennen. Mit diesem Ratespielchen vertreiben sich der ich-Erzähler, der offenbar ziemlich viel mit dem Autor Stuckrad-Barre gemein hat, und ein Gleichgesinnter die Zeit. Solche einfachen Weltbilder kennt man ja zur Genüge von Pop-Fans.

Im Gegensatz zum gedrechselten Stil des Journalisten Stuckrad-Barre ist die Jungswelt von Soloalbum aber in ganz einfachen Aussagesätzen verpackt und ziemlich hastig in ein paar Wochen zusammengekloppt. Außerdem sind Pupl eh besser als Oasis. Das müßten Jungmänner in Anzügen eigentlich wissen. Immerhin kommt Ende des Monats ja noch Thomas Meinecke in die Stadt. Der weiß tatsächlich, wie sich das mit der Popkultur als Folie für das ganze Leben verhält.

Volker Marquardt

Benjamin von Stuckrad-Barre: „Soloalbum“, Kiepenheuer & Witsch, 245 S., 16.90 Mark

Lesung: heute, 20 Uhr, Mojo