Plan- und erfolgloses Taktieren der USA / Eine völlig desolate Familienpolitik –betr.: „Vom Nutzen der Unterwerfung“ (Bomben auf Bagdad) von Sibylle Tönnies, taz vom 2./3.1.99

Eine Unterwerfung unter die Macht der USA mit dem Fernziel einer demokratischen Weltförderung schlägt Sibylle Tönnies in ihrem Diskussionsbeitrag vor. Dabei sollte gerade der Verlauf der Irakkrise die Unmöglichkeit eines solchen Planes vor Augen führen.

Seit dem Ende des zweiten Golfkriegs hat das plan- und erfolglose Taktieren der USA und jener Mächte, die bereit waren, sich ihr zu „unterwerfen“, dem irakischen Volk viel Leid zugefügt, ohne auch nur annähernd zu einer Lösung zu führen. Vielmehr wurde durch die Umgehung des Völkerrechts, insbesondere bei den jüngsten Angriffen, eine Situation geschaffen, in der internationale Zusammenarbeit und eine Demokratisierung der Welt schwieriger sind als zuvor. In den arabischen Staaten wie auch in Rußland wurden die antidemokratischen Gegner des Westens gestärkt, auch wenn dies bisher nur indirekte Auswirkungen auf die Regierungspolitik hatte. Langfristig würde eine Fortführung der jetzigen Politik jedoch zu einer Regierungsübernahme durch diese Kräfte führen oder die Regierungen dieser Länder zwingen, zur Unterdrückung der Feinde der Demokratie selbst zu härtesten Repressionen zu greifen. Im Irak selbst haben Angriffe und Sanktionen nicht etwa zu einer Schwächung Saddam Husseins geführt, sondern geben ihm die Möglichkeit, jede Kritik an seinem Regime als Unterstützung der Feinde im Westen zu diffamieren. Angesichts der durch jahrelange Sanktionen ohne absehbares Ende hoffnungslosen Lage kann er mit dieser Strategie auf Erfolg hoffen. Eine Politik, die darauf abzielt, diejenigen Staaten, die sich der Pax Americana nicht unterwerfen wollen, mit Gewalt zu zwingen, wird den westlichen Demokratien also keine Weltföderation, sondern eine Welt von Feinden einbringen.

Die Unfähigkeit der USA, auch nur den relativ schwachen Irak auf ihren Kurs zu zwingen, macht auch deutlich, daß sie nicht in der Lage sind, ein weltweites Gewaltmonopol zu errichten. Es zu versuchen hieße sich in einen ständigen Kriegszustand mit einer Vielzahl von Staaten zu begeben, von denen viele früher Kolonien Europas waren und einem erneuten Verlust ihrer Souveränität um so heftigeren Widerstand entgegensetzen würden. Demokratische Strukturen werden in diesen Ländern auf diese Weise nicht entstehen, denn ungeachtet der inneren Verfassung der USA bleibt die militärische Unterwerfung anderer Staaten der Weg der Gewaltherrschaft, dem nachzugeben deren Völker zum großen Teil als Schande empfinden würden. Dies ist jedoch nicht etwa mit dem Verhalten feudaler Zwischenmächte vergleichbar, sondern Reaktion auf eine Weltmacht, die es ablehnt, mit den Staaten der Dritten Welt auf Augenhöhe zu verhandeln. Vielmehr wird, wie auch das Konzept der militärischen Counterproliferation zeigt, auf einseitige Beschlüsse der USA gesetzt, die, wenn nötig, gewaltsam oktroyiert werden sollen. [...]

Die richtigen Konsequenzen hat, wenn auch spät, die französische Regierung gezogen. Sie beteiligt sich nicht mehr an der Luftüberwachung der Flugverbotszonen und schlägt eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen vor, um für Saddam Hussein einen Anreiz zur Zusammenarbeit zu schaffen. Auch dies ist keine perfekte Lösung, denn der Diktator bleibt im Amt, und eine sichere Gewähr für seinen dauerhaften Verzicht auf Massenvernichtungswaffen existiert nicht. Statt sich Illusionen über die Ordnungsmacht der USA hinzugeben, trägt sie aber der Tatsache Rechnung, daß Sicherheitspolitik nicht über die Köpfe der betroffenen Staaten gemacht werden kann.

So wird eine Lösung des Problems der Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten nur zu erreichen sein, wenn alle Staaten der Region, auch das von den USA protegierte Israel, in Verhandlungen zu dieser Frage eingebunden werden, da kein Staat in eine einseitige Entwaffnung einwilligen wird. Andererseits wird aber selbst Saddam Hussein die Zerstörung seines Staates, der Basis seiner Macht, in einem Krieg mit Massenvernichtungswaffen vermeiden wollen, was einem gemeinsamen Interesse der Nahostmächte entsprechen dürfte.

Auch für eine Demokratisierung gibt es keine Garantie, aber unter den Bedingungen eines permanenten Kriegszustandes sind die Chancen dafür denkbar schlecht, ein Grund mehr für seine baldige Beendigung. Der Westen kann hier nur versuchen, irakischen Regimekritikern beim Aufbau einer wirksamen Opposition zu helfen. Dies ist zwar schwierig und langwierig, aber dennoch erfolgversprechender, als dem Irak und seiner Bevölkerung die Demokratie unter Gefährdung der Stabilität der Region aufzuzwingen.

Deutschland hat weder Frankreich unterstützt noch nennenswerte eigene Vorschläge vorgebracht. Daß Joschka Fischer in der Irakfrage nicht die Ansicht seiner Partei als die Ansicht der gesamten Bundesregierung darstellen konnte, liegt auf der Hand. Dennoch wäre von dieser Regierung eigentlich eine differenziertere Stellungnahme zu erwarten gewesen. So hätten die Risse, die sich zwischen den arabischen Staaten und Rußland auf der einen und den führenden westlichen Mächten außer Frankreich auf der anderen Seite auftun, wenigstens zum Teil gekittet werden können. Daß die blinde Treue zu Amerika, insbesondere bei Gerhard Schröder, gesiegt hat, womit die Bundesregierung in der Irakfrage angekommen ist, wo Kohl aufhörte, wirft ein schlechtes Licht auf rot-grüne Außenpolitik. Ephraim Döhler, Student Politikwissenschaft, Altenburg